piwik no script img

Kommentar Wahl in den NiederlandenHoffen, bangen, puzzeln

Kommentar von Tobias Müller

Die rechte PVV landet nur auf Platz zwei, ihre Agenda hat aber weiterhin Konjunktur. Drei der vier stärksten Parteien sind der Rechten zuzuordnen.

Am Mittwoch wählten die Niederländer. Ihre Wahl fiel insbesondere auf die politische Rechte Foto: dpa

E s war ein erleichtertes Aufatmen, das nachts durch Europa ging. Wochenlang hatte das Schreckgespenst eines rechtspopulistischen Siegs den Blick auf die niederländischen Parlamentswahlen geprägt. Verständlich, dass man nach Auszählung der Stimmen den Fokus zunächst einmal auf die Tatsache richtet, dass das Befürchtete ausblieb. Die Partij voor de Vrijheid, Motor wie Lautsprecher des vermeintlichen „patriotischen Frühlings“, lag schließlich noch deutlich unter ihren (sinkenden) Umfragewerten.

Dass die PVV im Lauf der Nacht das Rennen um den zweiten Platz gewann, zeigt aber, dass ihre Agenda weiterhin Konjunktur hat. Auch die Tatsache, dass drei der vier stärksten Parteien der Rechten zuzuordnen sind, unterstreicht dies – zumal die Christdemokraten, die zu den größten Wahlgewinnern gehören, zuletzt rhetorisch zur PVV aufgeschlossen hatten.

Dem gegenüber zeichnet sich aber auch ein Trend ab, dem Klima der Scharfmacherei und Angst eine optimistische Agenda entgegenzusetzen. Sie ist geprägt von der Hoffnung auf eine egalitäre und progressive Gesellschaft, die Europa zugewandt ist.

Dafür steht der Aufschwung der liberalen Partei D66 und vor allem von GroenLinks. Dafür steht die Wahlbeteiligung von 82 Prozent. Und dafür stehen zahlreiche Menschen, die gestern gegenüber in- und ausländischen Journalisten bekräftigten, sich gerade in dieser Stunde einmischen und die Politik des Landes mit prägen zu wollen.

GroenLinks könnte in den kommenden Wochen eine entscheidende Rolle spielen, denn unter dem Strich steht, rechnerisch, wieder einmal ein komplexes Puzzle. Mark Ruttes Liberale, die Christdemokraten und D66 würden wohl ihre Koalition aus den Nullerjahren wieder aufleben lassen, liegen aber knapp unterhalb einer Mehrheit. Die Frage ist nun: Ließe sich GroenLinks auf ein solches Modell ein? Und wenn ja: Wie viel vom neuen Schwung lässt sich in eine neue große Koalition mitnehmen?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Ja, bei dieser Wahl war schon reichlich viel Scheiß dabei. Ohne Schützenhilfe aus dem Ausland wär vermutlich kaum einer hingegangen.

    http://www.der-postillon.com/2017/03/erdo-rutti.html#more

  • Islamkritisch oder ablehnend zu sein, heißt noch lange nicht rassistisch zu sein. Man lehnt eine Religion bzw. religiöse Ideologie ab, nicht die Menschen, die ihr angehören (müssen).

    Genausowenig sind die bei uns lebenden Moslems rassistisch, nur weil sie unsere demokratischen Werte nicht akzeptieren (dürfen).

    Jeder lebt nach seinen Werten. Wir täten gut daran, dieses endich zu akzeptieren. Auch unsere Rechtsprechung sollte sich der Realität anpassen und moslemische Werte in ihrer Urteilsfindung berücksichtigen.

  • Es gibt in den Niederlanden ausser der PVV *keine* Partei, die die Europäische Union in Frage stellt.

    Die Sozialdemokraten sind weg vom Fenster, und diese Stimmen sind eher nach rechts gegangen, aber "rechts" heisst hier eben konservativ oder liberal, aber nicht geifernd nationalistisch.

    Als in den Niederlanden lebender Deutscher freue ich mich zu sehen, wie man mit einem bunten Spektrum an Parteien und komplizierten Koalitionen umgeht (nämlich als Herausforderung und Bereicherung), ohne starr vor Schreck "Weimarer Verhältnisse" befürchtet und sich in politischer Wadenbeisserei verliert. Ich feiere mit GroenLinks und lasse mir die Laune nicht verderben :)

  • Bleibt festzuhalten: Wilders hat zugelegt, aber nicht so viel, wie er hoffte. Er hat aber mit 'seinen' rassistischen Themen den Wahlkampf bestimmt, bestens unterstützt vom Sultan aus Ankara. Damit droht auch in Frankreich und in Deutschland ein anti-islam-Wahlkampf mit rassistischen Züfen. Es sei denn, die linken Parteien nemen Themen wie Kampf gegen Dumpinglöhne und Sozialabau und der Wunsch nach mehr sozialer Gerechtigkeit auf. LinksGroen haben den Weg gezeigt, eigene Themen setzen und der neokonservativen Politik die Rote Karte zeigen! Dank Nederland - allez les bleu!

    • @Philippe Ressing:

      Wo bitte gibt es in Deutschland Dumpinglöhne?

  • Schon lustig, dass diverse "mitte-links" Zeitungen die Niederlande-Wahl zum Sieg erklären (vonwegen Wilders hat nicht die absolute Mehrheit erreicht). Wenn man sich aber, wie hier in diesem Artikel beschrieben, die Sitzgewinne bzw. -verluste ansieht, dann war diese Wahl wohl kaum ein klares Signal für mehr Europa und ein "Weiterso".

    • @Chris Toph:

      Etwa 85 % der NiederländerInnen haben nicht rechtsextrem gewählt.

      Auch wenn eine rechts-konservative Partei tonangebend bleibt, ist das Fortbestehen demokratischer Spielregeln vorerst gesichert, bei aller Kritik an den herrschenden Zuständen. Das ist schon ein Grund zum tief durchatmen.