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Kommentar Umzug der Fotogalerie C/OAmputierte öffentliche Hand

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Postfuhramt, East Side Gallery, Mauerpark: Die aktuellen Streits um die Nutzung der Stadt sind Spätfolgen des neoliberalen Ausverkaufs.

D ie Fotogalerie C/O Berlin muss das alte Postfuhramt räumen. In Friedrichshain wird über den Erhalt der East Side Gallery gestritten. Für das nördliche Mauerparkgelände hat ein Investor umstrittene Pläne für ein Neubauquartier vorgestellt. Und schräg gegenüber vom Postfuhramt steht seit ein paar Monaten das einstige Kunsthaus Tacheles leer.

An all diesen Orten dürfen künftig potente Investoren ihr Bild vom Leben in der Stadt verwirklichen. Das ist nicht per se falsch. Katastrophal aber ist, dass die Öffentlichkeit so wenig Einfluss darauf hat. Denn hier hat sich die öffentliche Hand selbst amputiert.

Tacheles und Mauerstreifen waren einst im Eigentum des Bundes. Der Mauerpark gehörte der Bahn, das Postfuhramt der Post. Die vier Orte waren direkt oder indirekt in Staatsbesitz – und hätten von ihm gestaltet werden können. Doch sie wurden im Zuge einer neoliberalen Politik verscherbelt.

Bild: taz
Gereon Asmuth

ist Leiter des Ressorts taz.eins, das die ersten vier Seiten der taz produziert.

Egal wie gut oder schlecht die Orte nun genutzt werden, egal wie viel Potenzial darin steckt: Die Politik hat sich weitestgehend zum Zuschauer degradiert.

Wie falsch das ist, zeigt sich ausgerechnet dort, wo der Ausverkauf zum Glück nicht geklappt hat: beim Amerika-Haus, in das die Fotogalerie nun zieht. Hätte das Land vor ein paar Jahren einen Käufer dafür gefunden, stünde C/O Berlin nun vor dem Aus.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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10 Kommentare

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  • H
    Hans

    @Claudia:

    So ein Stuss (auch ein altes Wort)!

     

    Das Geld aus der Privatisierung von profitablem Staatseigentum (z.B. TLG Immobilien, Post, DB, Wasser,...) ist aus Sicht des Souveräns und sollte auch aus Sicht dessen Vertreter nicht sinnvoll geeignet sein, um die leeren Kassen zu füllen.

     

    Wie wäre es mal mit dem Grundprinzip der Steuern zu kommen: starke Schultern schwerer tragen lassen.

     

    Die Politik von Schwarz-Rot-Gelb-Grün-bla und der von geneigneten Lobbyisten und Organisationen verbreitete Neoliberalismus hat dafür gesorgt, dass diejenigen, die eh schon viel Geld besaßen, sich durch das "Verscherbeln" von Staatseigentum ihre goldene Nase noch verplatint haben.

     

    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/armut-und-reichtum/verteilung-von-vermoegen-notenbanker-zoegern-bericht-ueber-ungleichheit-hinaus-12105481.html

     

    Der Neoliberalismus hat uns auch mehr Beschäftigung für weniger Gehalt gebracht. Tolle Wurst.

  • S
    @staatstragend

    Stützungszahlungen? Was soll das sein? Wo werden die verbucht? Ist das eingebrachtes Eigenkapital? Kredite? In Anspruch genommene Bürgschaften? ??? Ich vermute, Sie verwechsel die vielfältigen Stabilisierungsinstrumente des SoFFin mit Verlusten. Um sich Klarheit zu verschaffen, empfehle ich Ihnen ein Besuch der Webseite der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung und die Lektüre des dort zu findenden Jahresberichtes des SoFFin. 2011 wurde mit einem Fehlbetrag von 13,1 Mrd. abgeschlossen (11,4 Mrd. davon entfallen auf die nicht so neoliberale Staatsbank WestLB). Seit Gründung sind rund 23 Mrd. Verlust angelaufen. Wieviel am Ende (v.a. nach Verkauf aller Aktienbeteiligungen) übrig bleibt, ist abzuwarten. Immerhin hält der SoFFin z.B. noch 25% an der Commerzbank (aktueller Kurs 1,43), die irgendwann sicher mal ganz neoliberal verscherbet werden.

    Auch bzgl. Wachstum und Steuereinnahmen sind Sie wohl Opfer von Fehlinformationen geworden. Hier empfehle ich einen Blick in die Monatsberichte des Bundesfinanzministeriums. Die verraten, dass die erzielten (nicht geschätzten) Steuereinnahmen in 2012 um 4,7% gestiegen sind. Fürs BIP Wachstum 2012 liegen tatsächlich nur Schätzungen vor. Allerdings sind sich alle Institute einig, dass es unter 1% sein wird. Sie sehen also, die Steuereinnahmen konnten doch ganz gut mit dem Wirtschaftswachstum mithalten und es sogar um ein vielfaches übertrumpfen. Das zeigt dann auch gleich, dass sie bzgl. der Haushaltseinnahmen irren. Es ist mit den vorliegenden Zahlen empirisch belegt, dass sinkende Steuersätze nicht zwangsläufig sinkende Haushaltseinnahmen bedeuten.

  • DW
    DIE WAHRE TAZ

    Und die Wasserreinigung wird seit der Wasser-Privatisierung nicht mehr optimal gewährleistet - die vierte Reinigungsstufe ist aus wirtschaftlichen Gründen erst mal abgesagt. Hauptsache die Gewinne für die privaten Wasserkonzerne sprudeln.

     

    Natürlich mit Hilfe von unserem LOBBYISTEN-SENAT!

  • S
    staatstragend

    @staatstragend

     

    laut bundesbank wurden allein bis ende 2009 am HRE,IKB,commerzbank stützungszahlungen in höhe von 98 milliarden angewiesen

     

    .

    stützungszahlungen sind zahlungen und keine bürgschaften,ooch zu berlin.weitere milliarden floßen seitdem an die o.e. institute genauso wie an landesbanken

     

    die zinserträge klemm ich mir,da allein die HRE abwicklungsbank 10 milliarden griechenlandanleihen nach anleiheschnitt in den rauch schrieb.bei nem von der EU genehmigten bürgschaftsrahmen allein für dieses institut in höhe von schlapp 170 milliarden können nur fantasiereiche hoffen.

     

    die zum teil auch auf schätzungen beruhenden steigenden steuereinnahmen halten keineswegs schritt mit dem verkündeten wirtschaftswachstum,weshalb einem auch in bayern und badenwürttemberg zwischenzeitlich schlagloch höhrbar die öffentliche armut anspringt.nicht ohne grund wird auch dort der öffentliche dienst stellenmäßig geflöht

     

    das berühmte argument ,daß niederere steuern AUF DAUER höher e staatseinnahmen ermöglichen is schlicht propagande.schließlich ermöglichen fallende haushaltseinnahmen keinen höheren lebensstandard

     

    auch wenn unsre wirtschaftsbeschreiber,exzellenzen,eliten und weisen,ne wissenschaft kann es ja wohl nich sein,wenn alle positionen durch gegenpositionen relativiert werden,alle ritt ne neue erkenntnis sau durchs dorf,uni und öffentlichkeit treiben ,bleibt lediglich der üble geruch.

     

    im übrigen kann sich der vermögende bürger oder sein unternehmen zwischenzeitlich nen professor als mietmaul koofen,bischen stiftungsprofessur,spende und aufmerksamkeit vorausgesetzt

  • SH
    Sebastian Heiser

    Tim Leuther, das ist so nicht ganz richtig: Auch Wowereit hat noch mehr als 20 Milliarden Schulden in seiner Amtszeit gemacht. Hier eine Grafik:

     

    http://www.berlin.de/imperia/md/images/senatsverwaltungen/finanzen/haushalt/schuldenstand090113.jpg

  • TL
    Tim Leuther

    Und vor dem Neoliberalen Ausverkauf standen staatliche Allmachtsfantasien von Schwarz-Rot. Ist ja nicht so das die Berliner Schulden vom Himmel gefallen sind. Alles in den 90ern aufgehäuft.

  • S
    salehi

    langsam wird dieser egoismus einer kleinen aber medial extrem lauten interessengruppe aber unerträglich.

     

    warum immer diese verklausulierten artikel, schreibt doch einfach mal klartext: ich bin künstler, "was mit medien", welterklärer, "kulturschaffender" und finde es äusserst unfair, dass trotz meiner großartigkeit niemand für meinen adäquaten lebensstil aufkommen will - also bezahlt mich aus staatsknete, wo immer die auch herkommt!!!

     

    aber irgendwelche neoliberalen weltverschwörungen anzuprangern klingt ja viel eleganter.

     

    ich habe sehr selten erlebt, dass die üblichen solidaritätseinforderer auch mal selbst solidarität (also verzicht von selbstverdientem zugunsten eines anderen) geübt hätten. witzigerweise ist das tacheles und seine protagonisten das beste beispiel

     

    also verschont die denkende und für ihren lebensunterhalt selbst aufkommende bevölkerung mit dieser art lobbypropaganda

  • S
    @staatstragend

    In der Aufzählung der "neoliberalen" Steuergeschenke hast du die schrittweise Anhebung des Grundfreibetrages oder auch die Senkung der Einkommensteuersätze (nein, nicht nur der Spitzensteuersatz, auch der Einganssteuersatz von 23,9% in 1999 auf jetzt 14%) und vieles mehr vergessen.

    Komischerweise nehmen die Steuereinnahmen des Staates trotzdem zu. Vielleicht steckt ja Wahrheit im alten "neoliberalen" Geschwätz: Lieber wenig Steuer von vielen Steuerpflichtigen als viel Steuer von wenig Steuerpflichtigen. Vielleicht beneidet uns ganz Europa um unsere Beschäftigungsquote ja gerade wegen der "neoliberalen" Unternehmensbesteuerung.

    Aber gut, Geschmäcker sind eben verschieden. Es darf natürlich auch Menschen geben, die das wohlige Gefühl Mit-Volkseigentümer eines alten Postamtes zu sein, "neoliberal" niedrigen Steuersätzen vorziehen.

     

    Beim Thema Bankenrettung bist du ein wenig in die Irre gelaufen. Erstens verwechselst du Garantien mit Verlusten. Schau dir mal die realen Zahlen an. Insbesondere auch die Einnahmenseite mit Zinserträgen aus Garantien und wer die größten Verlustbringer sind, nicht ganz so "neoliberale" Staats- oder staatsnahe Banken. Zweitens würdest du mit der Forderung nach einem Stop der Bankenrettung und -verstaatlichung bei allen "Neoliberalen" offene Türen einrennen. Die halten das für eine marktwirtschaftliche Todsünde. Die glauben, solche Schieflagen müssten dem Markt überlassen werden, ohne dass sich der Staat einmischt. Faule Eier würden so automatisch aussortiert. Kollateralschäden wie der Verlust von Oma Lieschens Ersparnissen durch Bankenpleiten verbuchen die unter einem gepflegten "neoliberalen" Pech gehabt.

  • S
    staatstragend

    dem neoliberalen staat verdank ich ne halbierung der steuerlast,wenn ich gewinne meiner unternehmensverkäufe

    einbeziehe sowie spekulationsgewinn- und zinsversteuerung.die abgeschaffte vermögenssteuer,die ebenso abgeschaffte börsenumsatzsteuer ,die freistellung von betriebsvermögen bei erbschaft noch gar nicht berücksichtigt

     

    das wär schon die dritte seite

     

     

    dazu kommen steuerausgaben für bankenrettung im dreistelligen milliardenbereich,für kriege dito,für die wiedervereinigung bis jetzt nur 1 500 milliarden usw.

     

    griechenland ist unter uns,meestah

  • C
    Claudia

    Ohh mein Gott, da hat es wieder jemand benutzt, das 70 Jahre alte Wort, dass in gewissen Kreisen plötzlich zum Modewort wurde.

    Vielleicht wurden die Immoblien ja deswegen "verscherbelt", weil der Staat auf der anderen Seite eine Menge Ausgaben hat (Straßen, Schulen, Bibliotheken ...). Vielleicht verdanken wir dem NEOLIBERALEN Ausverkauf ja auch, dass uns das griechische Schicksal erspart blieb - ein von Schulden erdrückter handlungsunfähiger Staat, der auf der anderen Seite auf riesigen Immobilien und sonstigen Vermögen sitzt.

    Von gutem Journalismus erwarte ich die Beleuchtung beider Seiten der Medaille statt das Herausschleudern von billigen Parolen und Modewörtern.