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Kommentar Tugce-UrteilEs gibt nur Verlierer

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Sanel M. ist ausschließlich Täter, Tugce A. Märtyrerin. Diese Vorurteile haben sich zementiert – lange vor dem Richterspruch. Aber so einfach ist das nicht.

Trauerveranstaltung für Tugce A. am 28. November 2011. Foto: dpa

S ie die Heldin, er der Totschläger. Auf diese schlichte Zuschreibung einigten sich nach dem Vorfall in der Offenbacher McDonald’s-Filiale im Herbst letzten Jahres alle: Polizei, soziale Netzwerke, Medien. Danach war die 22-jährige Tugce Albayrak, die am Morgen des 15. November von Sanel M. am Kopf geschlagen wurde und das nicht überlebte, eine Heilige. Der 18-Jährige dagegen ein gewissenloser Jugendlicher.

Wie sich bald herausstellte, war das zu einfach gedacht. Denn die junge Frau mit der glänzenden Zukunft als Lehrerin soll ebenfalls gepöbelt und mit unschönen Wörtern um sich geworfen haben. Sanel M., der aus sozial unsicheren Verhältnissen kommt, bereut hingegen seine Tat schwer. Sogar Tränen flossen.

Was sagt uns das? Zunächst einmal, dass die Welt selten schwarz-weiß ist und dass man mit schnellen Urteilen vorsichtig sein muss. Vor allem bei der klischeehaften Bewertung sozialer Milieus. Medien haben diesbezüglich eine besondere Verantwortung. Die die meisten Zeitungen und Radio- und Fernsehsender auch wahrnehmen wollen – und sich im Nachhinein vielfach revidierten.

So rasch wie Tugce Albayrak zur Märtyrerin gemacht und der junge Mann verurteilt worden war, so eifrig wurde nun erklärt, dass die junge Frau ebenfalls nicht ganz ohne war. Das wiederum ist auch zu einfach. Denn in diesem Fall – wie in anderen Fällen – gibt es keine ausschließlichen Opfer und Täter. Es gibt nur VerliererInnen. Tugce A. ist tot, und Sanel M. verbringt seine Jugend im Gefängnis.

Vorsicht sei auch geboten, Pöbeleien und Schimpfwörter unter Jugendlichen überzubewerten. Ein solcher Umgang gehört zum Jungsein, ob das Ältere nun despektierlich finden oder nicht. Nur der Tod, der gehört da absolut nicht hin.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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8 Kommentare

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  • Ja, der arme Sanel, er ist auch Opfer. Ich kenne ihn nicht deshalb ist es nur ein Vermutung. Kann es sein, das er ein massiv verschobenes Frauenbild hat. Er respektiert in diesem Bezug keine Grenzen und belästigt Mädchen auf der Damentoilette. Wie weit wäre er gegangen mit seiner Übergriffigkeit, wenn Tugce A ihn nicht in seine Grenze gewiesen hätte. Das soll er sich von einer Frau bieten lassen ? Und warum soll eine Tugce A. nicht auch lautstark und nicht "ladylike" dagegenhalten dürfen. Sanel M. hat seine Entscheidung aus seiner Haltungen gegenüber Frauen getroffen als er sich aufmachte, die Mädchen auf der Toilette zu belästigen. Im Grunde war es nur logisch, das er auch zuschlug, nachdem Tugce A. sich nicht unterwürfig trollte. Wir sollte uns überlegen, ob es unserer Gesellschaft gut tut zu ignorieren, das Gruppen öffentlich Feindbilder aufbauen und "auserkorene" Menschen als nicht ebenbürtig abwerten.

  • Der arme, arme Täter. Was fällt dieser Tugce auch ein, sich von dem schlagen zu lassen?

    • @Georg Schmidt:

      "...dass sogar höchste Repräsentanten des Staates wie Bundespräsident Joachim Gauck Partei ergriffen. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier erschien auf der Beerdigung des Opfers und forderte, der jungen Frau posthum das Bundesverdienstkreuz zu verleihen."

       

      Fehlte wohl nur noch Sarrazin.

  • Totschlag ist nunmal Totschlag, auch wenn der Täter es bereut.

     

    Und es bleibt dabei: Eine freche Klappe darf nicht dazu führen, daß man erschlagen wird. Immerhin leben wir noch in einem Rechtsstaat, auch wenn sich meine Zweifel daran seit Jahren stetig mehren.

     

    "Es gibt nur VerliererInnen. Tugce A. ist tot, und Sanel M. verbringt seine Jugend im Gefängnis."

     

    Und wer von den beiden hat nun mehr verloren?

  • Der Artikel ist echt überflüssig. - Dann besser gar nicht dazu äußern als nichts sagend!

  • Wer wegen ein paar Schimpfworten jemanden erschlägt, hat mein Mitleid nicht verdient. [...]



    Vorsicht ist geboten, Pöbeleien und Schimpfworter unter Jugendlichen über zu bewerten? Wer hat die überbewertet? Offensichtlich doch der Täter, nicht der Leser.



    Dass tränen geflossen sind und er die Tat bereut - kein Wunder, wurde ihm doch klar, was ihn das kostet, egal wie das Urteil ausfällt...

     

     

    [Die Moderation: Kommentar gekürzt. Spekulationen sind in diesem Kontext nicht sinnvoll.]

  • Natürlich ist es nicht schwarz weiß und wahrscheinlich war es so, dass Frau Albayrak auch gepöbelt hat. Man sollte jedoch nicht vergessen: Er war auf der DAMENtoilette und ist gegenüber jungen Frauen aufdringlich gewesen. Das sind schon zwei Dinge. Was macht er auf der Damentoilette und warum geht er junge Frauen an.

    Mutig, hier einzuschreiten und zu helfen.

    Natürlich haben sich wohl beide auf dem Parkplatz verbal auseinandergesetzt, er hat jedoch zugeschlagen. Die Konsequenz ist der Tod der Frau Albayrak.

    Jetzt haben wir also drei strafrechtlich relevante Dinge, gegen eine. Nötigung, Beleidigung und Körperverletzung mit Todesfolge gegen Beleidigung.

    Und ich glaube gerne, dass er bereut. Er ist jedoch nicht direkt nach der Tat zur Polizei und hat gestanden. Es musste ermittelt werden.

    Es war nicht schwarz weiß, aber hier den -nun verurteilten- Täter auch nur einen Hauch verharmlosen zu wollen, ist nicht gerade toll. Wollen Sie ihm denn mal im Damenklo begegnen? Oder gleichartiges erleben? Ich denke nicht. Niemand möchte das von uns.