Kommentar Trauermarsch in Paris: Großes Unbehagen
Wer die Opfer respektiert und den Anschlag nicht nur zur Imagepflege nutzt, sondiert verstärkt Politikansätze, die Versöhnung erlauben.
F rançois Hollande und Angela Merkel legen vor der Kamera die Köpfe aneinander, dann marschieren sie gemeinsam mit anderen Staatschefs durch die Pariser Innenstadt – gegen den Terror und für die Verteidigung der Meinungsfreiheit. Am Abend bei „Günther Jauch“ dekretiert Mathias Döpfner vom Springer Verlag, dass der Anschlag auf Charlie Hebdo noch schlimmer sei als 9/11.
Waren schon die demonstrativen Einigkeitsbilder von Hollande/Merkel unbehaglich, beginnt bei Döpfners Eskalationsrhetorik der Ekel. Warum?
Die Verlogenheit ist das Problem. Springer steht bislang nicht für die Verteidigung eines redlichen Journalismus. Aber nur Döpfner wird geladen. Denn im Kampf gegen die Islamisten sind doch alle Katzen weiß, oder? Auch Netanjahu, Abbas oder der saudi-arabische Botschafter stehen nicht für eine emanzipative, den Terror schwächende Politik. Doch sie dürfen sich als die Guten inszenieren.
Demokratisch gesinnte PolitikerInnen sollten die Millionen FranzösInnen, die aus Trauer und Furcht vor weiterem Terror auf die Straße gehen, als Aufforderung verstehen, der zunehmenden Radikalisierung von Islamisten und Rechtsradikalen mehr entgegenzusetzen als bisher. In die Trauer müsste sich also Selbstkritik mischen. Davon fehlt jede Spur. Stattdessen dürfte Innenminister de Maizière repräsentativ sein, wenn er sagt, dass Trauerfeiern ja immer schön seien, es gebe dort so ein warmes Gefühl. Die in Paris sei sehr schön gewesen.
Wenn die politischen Führungen Trauerfeiern als Wohlfühlveranstaltung missbrauchen, fehlt ihnen der Respekt vor den Opfern. Dieser würde bedeuten, dass sie verstärkt Ansätze für eine Politik sondieren, die den Druck von rechtsaußen per Aufklärung und Partizipationsperspektiven ausbremst. Davon war bislang noch nicht einmal die Rede.
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