Kommentar Tempelhofer Feld: Ein feiger Kompromiss
Wer über Tempelhof spaziert, ist mitten in der Stadt und doch auf dem Land. Der unentschiedene Nachnutzungsplan will allen gerecht werden und macht damit gerade diese Weite kaputt.
D er Masterplan für Tempelhof, den der Senat allen Ernstes als "herausragend, intensiv und polarisierend" beschreibt, besitzt vor allem eine hervorstechende Eigenschaft: Er ist ein Kompromiss, dem Feigheit und Unentschiedenheit aus jeder Zeile strahlen. Der Entwurf nimmt fast alle Ideen der an Verrücktheiten nicht armen Nachnutzungsdebatte auf, er bietet irgendwie jedem etwas, und er verliert genau deshalb das große Ganze aus dem Auge.
Was soll es auf dem weiten Feld nicht alles geben: einen Boulevard, denn damit kennt sich Berlin aus. Einen Teich, denn Wasser ist immer wichtig. Nachbarschaftsgärten, etwas Multikulti muss sein. Sportplätze, denn der benachbarte Verein hat gemeckert. Einen Felsen, auf dem die BerlinerInnen herumkraxeln können - im Gedenken an die Universalgelehrten Humboldt, die oben, warum auch immer, als Denkmal verewigt sind. Wenn der Berliner Schaustellerverband eine Dauerkirmes forderte, würde sich wohl auch noch ein Plätzchen finden.
Die Idee eines Kompromisses jedoch widerspricht dieser Fläche, die vor allem Kompromisslosigkeit in sich trägt. Das Ergreifende an dem Wiesenmeer ist seine Weite. Wer über Tempelhof spaziert, ist mitten in der Stadt und doch auf dem Land, der Blick schweift kilometerweit, am Horizont stehen dann ein paar Häuser wie Spielzeug. Dieses Erlebnis mit Erdhügeln, Deichen, Grenzen - oder, um es mit dem Senat zu sagen: kleinmaßstäblichen Nutzungen - zu beschneiden, ist keine Weiterentwicklung, sondern ein Rückschritt.
Nun ist stures Beharren auf dem Status quo auch keine Lösung, und Teile des Senatskonzepts sind gelungen, etwa die Ovale im Gelände, die die Form des Flughafengebäudes aufnehmen. Aber selten war die Floskel "Weniger ist mehr" angebrachter als beim Park Tempelhof.
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