Kommentar Rassismus bei der Polizei: Der Spiegel hängt schief
Die Polizei, so heißt es nach den Vorwürfen aus Sachsen mal wieder, sei nur ein Spiegel der Gesellschaft. Genau das stimmt nicht und ist das Problem.
E in Polizeischüler, der sich laut eigener Aussage nichts anderes vorstellen konnte, als Polizeibeamter zu werden, schmeißt wegen rassistischer Aussagen von Lehrern und Mitschülern hin. Die Vorwürfe sind hart. Sie wiegen noch schwerer, weil sie nicht auf irgendeiner Dienststelle geschehen sind, sondern in einer zentralen Ausbildungsstätte der sächsischen Bereitschaftspolizei.
Der neue Fall offenbart keine neuen Probleme, sondern reiht sich ein in eine Kette unschöner Vor- und Ausfälle. Die Aussage des Leiters der Bereitschaftspolizei Sachsen Dirk Lichtenberger, „Rassistisches Gedankengut hat in den Reihen der Polizei keinen Platz und darf unter keinen Umständen toleriert oder verharmlost werden“, scheint nicht mal im Grundverständnis des Lehrkörpers breit verankert zu sein.
Seit Jahren führen Innenministerium und Polizei zur vermeintlichen Erklärung an, dass die Polizei eben auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft sei. Diverse Studien zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit offenbarten entsprechende rechte Ressentiments auch in der gesellschaftlichen Mitte. Klingt einleuchtend, ist es aber nicht. Denn die Polizei ist eben nicht das Spiegelbild, sondern vielmehr ein Wiedergabe-Bild eines bestimmten Teils der Gesellschaft: weiß und männlich. Die Polizeiführungen sind sich teilweise dieser Struktur bewusst, einzelne Polizeidozenten erklären auch, dass die Erklärung nicht greift.
Doch einzelne Werbekampagnen für breitere Personalgewinnung genügen nicht. Erst recht nicht, wenn dann die neugewonnenen Kollegen mit Migrationshintergrund sogleich unter Generalverdacht gestellt werden, ihre Berufswahl mit dem Ziel der Unterwanderung getroffen zu haben. Die Ermittlungen zum NSU haben den strukturellen Rassismus der Sicherheitsorgane bereits offengelegt. Wer jetzt immer noch von Einzellfällen sprechen will, sollte lieber schweigen. Die Geisteshaltung muss sich ändern. Unsere Polizei muss eine Fehlerkultur entwickeln – nicht nur in Sachsen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter