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Kommentar Österreich-WahlsiegerAlte Story, junger Star

Georg Löwisch
Kommentar von Georg Löwisch

Jugend kombiniert mit alten Werten und der Wucht abgrenzender Rhetorik: Sebastian Kurz' Sieg hat Folgen für deutsche Konservative wie Jens Spahn.

Jens Spahn neben: Jens Spahn Foto: dpa

E s ist eine blauäugige Vorstellung, dass Politiker wie der Österreicher Sebastian Kurz oder der Deutsche Jens Spahn (CDU) altkonservativ reden, weil es ihnen ein inneres Bedürfnis ist. Sie schüren Ängste und verheißen Sicherheit, weil dies der Treibstoff ihrer Karrieren ist. Nützte es dem eigenen Fortkommen, würden sie auch Yoga und Pilates den Kampf ansagen.

Mit den altkonservativen Positionen beeinflussen sie ihre Parteien und die Stimmung in ihren Ländern – unterschiedlich stark, je nachdem, ob sie Kanzler in spe sind wie Kurz oder ein Möchtegern wie Spahn. Brüder im Aufstieg: Am Wahlabend ging der Deutsche zum Österreicher nach Wien, um ein Sieg-Selfie zu knipsen. So einfach, so plump.

In den nächsten Wochen in Berlin wird über Jamaika verhandelt, nicht nur zwischen, sondern auch in den Parteien. In der CDU geht es auch darum, wer welche Startchancen hat, wenn die Kanzlerin einmal geht. In der Stunde null wird neu entschieden werden, was diese Partei ist und wer. Schon heute stehen diese Fragen im Raum.

Niedersachsen zeigt der CDU, wie es nicht laufen darf. Ihre 33,6 Prozent sind eine Katastrophe für jenen Landesverband, der einst so kräftig war, dass er 1960 die rechte Deutsche Partei schluckte und der 1982 vom Urvieh Wilfried Hasselmann und dem Kleinbürgeridol Ernst Albrecht auf den 50-Prozent-Gipfel geführt wurde. Danach machte Gerhard Schröder die CDU Niedersachsen dermaßen fertig, dass ihr erst ein gut inszenierter Christian Wulff wieder aufhalf. Der wurde zum Star, weil er die muffige CDU entstaubte. Genau so ging auch Angela Merkels Story: die Frau, die den Ballast deutschtümelnder Altbackenheit abwirft und nach oben steigt.

Die Macht nach Merkel

Der Typus Kurz-Spahn tut interessanterweise das Gegenteil. Als bloß Junge wären sie zu leichtgewichtig. Deshalb kombinieren sie die Gravitas alter Werte und die Wucht abgrenzender Rhetorik mit ihrer Jugendlichkeit. Altkonservative Story, junger Star. Hat das Rezept Zukunft?

Jedenfalls hat Spahn Verbündete wie Wolfgang Schäuble oder Thomas Strobl, den einflussreichen CDU-Chef von Baden-Württemberg. Sie wollen Schwarz-Grün und lassen es trotzdem krachen, etwa in der Sicherheitspolitik. Kontraproduktiv war für sie, dass dieses Jahr in Annegret Kramp-Karrenbauer, Daniel Günther und Armin Laschet gleich drei Protagonisten Landtagswahlen gewannen, die auf dumpfe Töne verzichten. Ein Rückschlag für Spahn.

Doch Mer­kels Ergebnis bei der Bundestagswahl war dünn. Sebastian Kurz im Nachbarland hatte Erfolg. Schäu­b­le wird Bundestagspräsident und damit der Re­gie­rung nicht mehr angehören. All das öffnet Räume für Spahn und die Baden-Württemberger. Sie möchten so langsam mal weiterkommen. Er läuft lautlos im Hintergrund, der Kampf um die Macht nach Merkel.

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Georg Löwisch
Autor
Viele Jahre bei der taz als Volontär, Redakteur, Reporter und Chefredakteur.
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7 Kommentare

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  • Eins ist klar auch für mich als nie-und-niemals-CDU-Wähler. Wir werden höchstwahrscheinlich zu Lebzeiten nie wieder (zumindest in Sachen humanitärem Impetus) eine so „anständige“ Person als CDU-Kanzler_in sehen wie Merkel.

     

    Nach ihr, wer auch immer da kommt, geht nach rechts die Post ab. Wenn dem nicht so wäre, würden die im Bericht genannten, gemäßigten Kramp-K., Laschet oder Günther schon jetzt mal ihre Stimme erheben gegenüber dem rechten „offene Flanke“-Geschwätz aus Bayern.

     

    Ich erinnere nur mal an die erbärmlichen Wahlergebnisse der CDU überall in Großstädten in den Nuller-Jahren und auch weitestgehend heute. Dort war sie zum Teil bei unter 20 Prozent im urbanen Milieu angekommen, gerade bei jungen Frauen. Die leichte Öffnung weg von verstaubt konservativ hin zu mehr liberal-konservativ, also zur rechten Mitte durch Merkel, war auch eine aus Sicht der CDU überlebensnotwendige Strategie. Detailanalysen der letzten Wahlen zeigen immer noch die Diskrepanz im Wählerzuspruch für die CDU zwischen ländlich, religiösem Milieu und Großstadtwähler_innen.

     

    Spahn überschätzt sich maßlos. Außerdem gibt es in Deutschland eine zivilgesellschaftlich viel aufmerksamere, kritischere demokratische Öffentlichkeit als in Österreich, die ihm einen Flirt CDU/CSU/AfD nicht durchgehen lassen würde. Spahn mag zwar in alter Weimarer-Republik-Tradition seine Anwandlungen haben, so in Richtung „Einer muss den Heinrich Brüning oder Franz von Papen machen!“

     

    Das kriegt er 2021 aber nicht durch. #Fail Big time! (Ach ja… und erst mal den Englisch-Kurs abschließen, Herr S.!)

    • @esgehtauchanders:

      "Außerdem gibt es in Deutschland eine zivilgesellschaftlich viel aufmerksamere, kritischere demokratische Öffentlichkeit als in Österreich"

       

      Nur so lange Frau Springer und Frau Mohn zu der Alternative Pfui sagen. Muss nicht so bleiben.

      Das mit dem "Selbstlob" lasse ich unkommentiert...

      • @agerwiese:

        Ich habe in dem Kommentar auch eher auf die Kurzfristperspektive in der CDU hingewiesen und die . Probleme im städtischen Umfeld für die CDU. Die gemäßigten Kräfte sind noch zu stark, um einen Durchmarsch der Spahns jetzt und bis 2021 so einfach über die Bühne gehen zu lassen.

         

        Langfristig und da bin ich für den Hinweis auf Springer & Konsorten dankbar, kann´s leider durchaus anders aussehen.

         

        Weiter gedacht geht's hier: https://www.taz.de/Rechtsruck-in-der-CDU/!5453390/

  • Der Beitrag vermittelt das Gefühl, dass „Jugend“ eher negativ zu bewerten ist. Das ist mir neu! Bei Bewerbungen um einen Job in der Wirtschaft werden, unabhängig von „alten Werten“, immer noch die jüngeren gegenüber den älteren Bewerbern bevorzug (obwohl das eigentlich nicht sein dürfte).

     

    Offenbar ist die Wirtschaft noch nicht so weit, wie die TAZ!

  • Was mich an der Rede vom "Sieg" Sebastian Kurz' wundert, ist. dass anscheinend immer das Ergebnis der FPÖ dazugerechnet wird, denn die ÖVP allein hat einen geringeren prozentualen Anteil als die Merkel-CDU oder gar Althusmann in Niedersachsen. Wie lange dauert es noch, bis in Deutschland ein Erfolg der Union gemeinsam mit der AfD festgestellt wird?

    • @Joba:

      Die ÖVP als stärkste Kraft - das war seit Jahrzehnten, eigentlich mein ganzes Leben lang unvorstellbar. Daher ist das auch ganz ohne FPÖ ein Erfolg für Kurz. Wenn es bei der Entmachtung der Bünde bleibt und vielleicht sogar die SPÖ sich einer ähnlich radikalen Restrukturierung unterzieht, könnte das Ganze sogar langfristig was gebracht haben. Der Kurz selber wird hoffentlich dann mit 35 in Pension geschickt.

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @Joba:

      Noch wagen sie das nicht. N o c h !