Kommentar Kehrtwende von VW: Das Ende des Diesels
Die Nachrichten im Vorfeld der VW-Hauptversammlung sind atemberaubend. Für die Wolfsburger fangen die turbulenten Zeiten gerade erst an.
Wenn Volkswagen hustet, fürchtet Niedersachsen eine Grippewelle, und ganz Deutschland muss sich warm anziehen. Am Mittwoch steht in Hannover die Hauptversammlung des wichtigsten europäischen Autokonzerns an – und die Nachrichten im Vorfeld sind atemberaubend. Zunächst sind da die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen Marktmanipulationen gegen den Ex-VW-Chef Martin Winterkorn sowie einen amtierenden Spitzenmanager.
Zudem stellt der amtierende Konzernchef Matthias Müller eine Technologie in Frage, die das Rückgrat des Unternehmens ist: den Pkw-Dieselmotor. Beide Nachrichten haben das Zeug, den Wolfsburger Konzern tüchtig durcheinanderzuwirbeln – mit allen Konsequenzen für Standorte, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen.
Die Ermittlungen wegen Marktmanipulationen beziehen sich auf den Umgang des Managements mit der Affäre um die Betrugssoftware in Dieselmotoren, die die Abgaswerte verfälscht. Der Vorwurf: Das Management hätte den Betrug, der den Aktienkurs maßgeblich beeinflusst, früher publik machen müssen.
Für den Konzern ist dabei weniger die individuelle strafrechtliche Würdigung des Verhaltens seines Ex-Chefs von Bedeutung. Wichtiger sind die finanziellen Folgen. Wird Winterkorn, zu was auch immer, verurteilt, steigert das die Chancen auf Schadenersatz, den institutionelle Anleger von VW für erlittene Kursverluste verlangen.
Damit würde der Abgasskandal immer teurer. Einfache Rechnung: Die vielen Milliarden, die VW zur Aufarbeitung seines Skandals aufbringen muss, fehlen an anderer Stelle. Zum Beispiel für Zukunftsinvestitionen.
E-Autos sind eine Herausforderung
Für diese aber bräuchten die Wolfsburger jede Million, wenn sie jetzt das Ende des Diesels verkünden. Denn die Alternative, das Elektroauto, ist noch lange nicht massentauglich. Es ist schlicht zu teuer und hat eine zu geringe Reichweite.
Dennoch muss sich VW dieser Herausforderung stellen, um nicht die Entwicklung zu verschlafen. Sollten amerikanische oder chinesische Konzerne in der Lage sein, massentaugliche E-Autos zu bauen, werden die Regierungen ihrer Staaten über kurz oder lang Diesel- oder Benzin-Pkw aus ihren Städten verbannen. Dann wäre es aus mit den Exporterfolgen von Volkswagen.
Auch der Entwicklung eines selbstfahrenden Autos, die nichts anderes ist als ein sinnloser technologischer Krieg mit den superreichen Konzernen aus dem Silicon Valley, kann VW nicht aus dem Weg gehen. Kein Autofahrer braucht solche Pkws – aber wenn es den Amerikanern gelingt, sie alltagstauglich zu machen, wird es einen so großen Hype darum geben, dass jeder Konzern alt aussieht, der sie nicht im Portfolio hat.
In Wolfsburg fangen die turbulenten Zeiten gerade erst an.
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