Kommentar Griechische Regierungskrise: Tsipras setzt auf Weitermachen
Die Koalition in Athen ist am Streit mit Mazedonien zerbrochen. Aus linker Perspektive fragt man sich, warum sie überhaupt so lang hielt.
D er Abgang von Verteidigungsminister Panos Kammenos stürzt die Regierung in Athen in eine Krise. Doch der große Taktiker Tsipras lässt sich nicht entmutigen: Direkt nach dem Rücktritt des Koalitionspartners erklärte der Linkspremier, er sei im Kontakt mit dem Staatspräsidenten, damit zügig eine Vertrauensabstimmung stattfindet und die Amtszeit seiner Regierung, wie verfassungsrechtlich vorgesehen im Oktober 2019 beendet wird.
Offenbar rechnet Alexis Tsipras, den selbst seine schärfsten Gegner für einen klugen Taktiker halten, damit, dass er die nötige Mehrheit im Parlament findet – sei es durch Abtrünnige des einstigen Koalitionspartners Anel, sei es durch Oppositionspolitiker, die eine vorgezogene Neuwahl allein schon aus Selbsterhaltungsgründen zum jetzigen Zeitpunkt fürchten.
Derart zersplittert und wechselhaft ist heute die Parteienlandschaft in Hellas, dass die Rechnung von Tsipras vielleicht aufgeht. Dann wäre der Kompromiss zum Mazedonien-Streit wohl durch. Andernfalls würde er ad calendas graecas verschoben. Mehr als unwahrscheinlich ist es nämlich, dass ein sich in der Auflösung befindliches Parlament dem umstrittenen Abkommen mit den nördlichen Nachbarn zustimmt.
Aus der Perspektive linker Politik lautet die wichtige Frage nicht, warum die politische Freundschaft zwischen dem Linkspolitiker Tsipras und dem Rechtspopulisten Kammenos jetzt endet – sondern eher, warum sie so lange dauerte. Die Beteiligten selbst meinen, ihre ungewöhnliche Allianz hat immerhin dazu geführt, dass Griechenland die Sparpolitik beendet und das verhasste mnimónio (nämlich die Vereinbarung mit der internationalen Kreditgebern) verlassen hat. Dabei ist schwer zu übersehen, dass Griechenland nur deshalb aus dem Rettungsprogramm entlassen wurde, weil es vertraglich so vereinbart war.
Die kuriose Allianz mit Kammenos hat Tsipras immer wieder den Vorwurf des Opportunismus eingebracht. Ob er jetzt im Zuge der Regierungskrise neue Verbündete unter sozialdemokratischen Abgeordneten findet und dazu auch noch das Abkommen um Mazedonien durchbringt? Das wäre wohl am besten – für alle Beteiligten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann