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Kommentar Frauen im BundestagVorne machen es die Männer

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Im nächsten Bundestag werden noch weniger Frauen sitzen. Woran liegt das? An den Männern, die immer nach vorne wollen, oder an Strukturen?

Demnächst werden hier noch weniger Frauen mitreden dürfen Foto: imago/epd

Z um Beispiel Katarina Barley. Mitten im Wahlkampf wird die SPD-Frau als Generalsekretärin ihrer Partei durch Hubertus Heil ausgetauscht und muss ins Familienministerium wechseln. Nun ist das Amt der Frauenministerin keineswegs gering zu schätzen, Familien- und Genderpolitik sind heiß umkämpfte Felder.

Aber die Personalie hatte etwas von Boshaftigkeit: Wir in der SPD finden, dass die Frau den Job im Willy-Brandt-Haus nicht gut genug gemacht hat, deshalb muss da jetzt mal (wieder) ein Mann ran.

Heil ist den Beweis, dass er die SPD und ihren Kanzlerkandidaten Martin Schulz bis ganz nach oben puschen kann, bislang schuldig geblieben. Aber was soll’s, dem Mann wurden mehr Kompetenz und Talent zugeschrieben.

Nun könnte man die Sache auch ganz anders sehen, als eine Aufstiegsgeschichte von Frauen nämlich, in der Barley eine wichtige Rolle spielt. Die andere Sicht auf die Personalrochade geht so:

Mehr Auswahl war drin

In Mecklenburg-Vorpommern ist ein Ministerpräsident aus persönlichen Gründen zurückgetreten, ihm folgte eine Frau ins Amt, die frühere Familienministerin Manuela Schwesig und noch frühere Sozialministerin des Nordlandes. Der Wechsel von Berlin nach Schwerin ist der nächste Karriereschritt dieser engagierten, im Familienministerium gewachsenen SPD-Politikerin.

Wer aber wird nun Familienministerin? Eine Frau, klar, da gibt es bei den Sozialdemokraten keine Frage. Schließlich will die SPD eine moderne, gegenderte Partei sein. Aber welche Frau passt? Als Partei mit einem vergleichsweise hohen Frauenanteil hätte die SPD nicht nur Katarina Barley gehabt. Natürlich kann nicht jede Familienministerin, das hat die CDU beispielsweise mit Kristina Schröder bis 2013 prima vorgemacht. Aber da gibt es auch noch Elke Ferner, seit Jahrzehnten aktiv in der SPD-Frauenpolitik und seit 2013 Parlamentarische Staatssekretärin im Familienministerin. Sie will zwar nicht mehr für den Bundestag kandidieren, aber sie kennt das Haus bis in den letzten Winkel und hätte es bis zum 24. September gut führen können.

Mit einem ähnlichen Wechsel hat die SPD bereits gute Erfahrungen gemacht: Als Sigmar Gabriel im Januar vom Wirtschafts- ins Außenministerium wechselte, folgte ihm die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Zypries.

Lange Rede, kurzer Sinn: Barley war Verschiebemasse zugunsten eines Mannes.

Ernüchterndes Bild

Eine Frau muss dreimal so gut sein wie ein Mann, um dieselbe Anerkennung zu bekommen, beklagten Feministinnen mantraartig in den 1990er Jahren. Heute – in Zeiten von Quoten und Spitzenfrauen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien – sollte diese Frauenverachtung überwunden sein.

Doch weit gefehlt. Der Blick auf den nächsten Bundestag ist ernüchternd. Die FDP dürfte erneut ins Parlament einziehen, vermutlich zum ersten Mal die AfD. Beides Parteien mit einem überaus hohen Männeranteil und männlich dominierten KandidatInnenlisten.

Das Geschlechterverhältnis dürfte sich verändern. Demoskopen gehen davon aus, dass der Frauenanteil im Parlament von derzeit 37 auf nur noch 32 Prozent sinken wird.

Liegt es an den Frauen, die sich nicht so gern in den Vordergrund drängen? An den Männern, die sich gern in den Vordergrund drängen? An den Strukturen und einem stressigen Politikalltag, der oft familienfeindlich ist?

Sicher von allem etwas. Ein nicht zu vernachlässigender Grund jedoch ist die nach wie vor existierende Misogynie: Frauen? Ja gern. Aber vorn bitte Männer. Darüber kann Katarina Barley sicher einiges erzählen.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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9 Kommentare

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  • Eine Frau durfte den Job machen. So weit so gut. Ist damit gesagt, dass es anschließend immer eine Frau sein muss, weil es sonst in Medien heißen kann: Eine Frau hat den Job nicht gut genug gemacht, so dass wieder ein Mann ran muss?

     

    Mein Eindruck ist: Die Frau bekam den Job ausschließlich deswegen, weil sie als die beste Person für den Job galt. Und jetzt bekommt den Job eben ein Mann, der als die beste Person für den Job gilt. Die Unterstellung, sie habe den Job schlecht gemacht, weil sie eine Frau sei, habe ich in dem Zusammenhang vor diesem Artikel noch nicht gehört. Aber: Männer wie Frauen können sich im Amt dann als Enttäuschung herausstellen.

     

    Allerdings finde ich es richtig, die Frage zu stellen, warum so wenige Frauen sich in Parteien engagieren und noch weniger kandidieren oder gar gewählt werden. Dabei sind Frauen in der Bevölkerung doch sogar die Mehrheit und könnten die ganze Politik bestimmen.

     

    Ob das eine bessere Politik wäre, nur weil es Frauen wären? Nein. Sehe ich keinen Anlass für diese männerdiskriminierende Annahme.

  • Nachdem die SPD im kommenden Wahlkampf Stimmen verlieren wird, ist es vielleicht ganz gut, wenn Frau Barley nicht den Kopf dafür hinhalten muss?

     

    Was Misogynie betrifft: Ich hab den Verdacht, dass dieser Artikel das letztlich auch ist, auch wenn sich die Autorin dessen gar nicht bewusst ist.

  • Nun, die aktuellen Umbesetzungen beinhalten nicht nur, daß eine Frau als SPD-Generalsekretär durch einen Mann abgelöst wurde, sondern auch, daß ein Mann als Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern durch eine Frau abgelöst wurde. Ist das Amt eines Ministerpräsidenten wirklich so unbedeutend, daß man dieses Personalkarussel als Rückschritt für Frauen werten muß? Ist eine Ministerpräsidentin nicht eher wichtiger und mächtiger als eine Generalsekretärin? Generalsekretäre sind in der zweiten Reihe tätig, Ministerpräsidenten hingegen sind der Boss/ die Bossin in ihrem Land und wegen der föderalen Struktur (Bundesrat etc.) auch in der Bundespolitik von einigem Gewicht.

  • Der letzte Absatz wird durch die "Probleme" von Bündnis 90/Die Grünen m. E. relativ offensichtlich widerlegt.

     

    Dort schaue mensch sich die Listenaufstellungen an --- Bei Frauen oft keine Gegenkandidatin ab dem ersten Listenplatz, relativ bald wird nach Frauen für Listenkandidaturen gesucht und bei Plätzen, bei denen noch mehrere Kandidaten gegeneinander antreten, werden Kandidatinnen gewählt die spontan antreten "müssen" und dass auch so kommunizieren.

     

    Und das hat sicherlich nichts mit misogynen Grünen zu tun.

     

    Und FDP und AfD lasse ich hier nicht gelten:

     

    1. Gut, dass beide Parteien weniger Frauen aufstellen (können) und von weniger Frauen (hoffe ich) gewählt werden ;-)

     

    2. Die FDP ist egozentrisch, weil sie nur auf einen Menschen (oder doch ein Superheld?) abstellt, C. L.

     

    3. Die AfD hat zwei Frauen an vorderster Front und noch solche Damen wie B. v. S. bei denen Vernunftbegabte sagen:

     

    Weder Adolf noch Eva an die Macht!

     

    Die Frauen und Männer der AfD zeigen die gleichen asozialen Tendenzen, bei den Frauen kommt lediglich noch hinzu, dass die Heuchelei und Bigotterie mehr auffällt:

     

    Ein Politiker der alte Familienpolitik fordert und Ehebruch mit einer Mitarbeiterin (verheiratet) begeht, an so etwas haben wir uns wohl gewöhnt ...

     

    Dass Frauke Petra und Alice Weidel Lebensmodelle praktizieren, die diametral ihrer völkisch-nationalistischen Politik gegenüberstehen, ist natürlich gleich schlimm - aber es interessiert offensichtlich die Wähler*innen der AfD überhaupt nicht.

     

    Also sollten wir weiterhin nicht kritisieren, dass Ehebrecher die AfD anführen, sondern kritisieren, dass die AfD tatsächlich das Schuldprinzip bei Scheidungen wieder einführen will.

     

    Es ist kein Problem, dass die Spitzenkandidatin der AfD mit einer aus Asien stammenden Frau Kinder großzieht, aber dieser Widerspruch zur eigenen Politik muss schärfer und klarer benannt werden.

     

    Privates ist politisch, wenn es Heuchelei ist.

  • Trotz genannter gleich mehrerer Gegenbeispiele und der Versicherung, wie wichtig doch das Amt einer Familienministerin ist, kommt dann die Klage, Frau Barley sei "Verschiebemasse" zugunsten eines Mannes. Hmm, lange Rede, kurzer Sinn: nicht unbedingt überzeugend. Ich hielte das Amt einer Bundesministerin oberhalb einer Partei-Generalsekretärin gelegen, ergo eher ein Aufstieg für Frau B.

     

    Dann, relativ unverbunden damit, die vermutlich niedrigere Rate an Frauen im nächsten Bundestag, welcher nun aber mit dem Einzug der FDP und AfD erklärt wird. Der Einzug der AfD ist sicher ärgerlich, aber mit Petry und Storch sind da gleich zwei Frauen in der Spitze, dahinter mag es mau aussehen - aber ernsthaft: als gesamtgesellschaftl. Gradmesser kann diese Partei nicht herhalten.

     

    Es wäre ohnehin schön, wenn der Schwund von 37 auf 32% MdB mit konkreten Zahlen unterfüttert würde: Wieviele Kandidatinnen der jeweiligen Parteien sind genau Frauen? Wieviele auf aussichtsreichen Listen- oder Direktkandidatinnen-Plätzen?

     

    Eines steht zudem schon fest: der nächste Bundeskanzler ist wieder eine Kanzlerin, unverschieblich.

  • Liebe Frau Schmollack,

     

    Sexismus heißt auch, bei jeder Personalentscheidung zuerst auf die Geschlechter der Beteiligten zu blicken und dann auch noch blind zu unterstellen, die Entscheidung sei in diesen Geschlechtern begründet. Das trübt den Blick für's Sachliche.

     

    In Einem haben Sie sicher Recht: Barley ist heute Familienministerin, primär weil sie vom Generalsekretärsposten wegbefördert werden sollte. Sie galt als zu harmlos und daher unfähig, einen hinreichend aggressiven Wahlkampf zu organisieren, um Angela Merkel aus dem Amt zu jagen. (Dabei wäre es doch SOO schön, endlich wieder einen Mann als Kanzler zu haben, nicht wahr? ;-)). Letztlich geht - ob verdient oder nicht - die Bauchlandung nach dem anfänglichen Höhenflug der Schulz-Kampagne politisch auf ihre Kappe.

     

    Was aber die Personalie Heil betrifft: Der ist heute Generalsekretär, weil er es schon einmal war und man mitten im Wahlkampf nicht auf Anfänger setzen wollte. Barleys Vorgängerinnen Nahles und Fahimi sind als Ministerin und Staatssekretärin dem Job enteilt und ohnehin Urnengift, also wurde es Heil. Den SPD-Granden wäre sicher eine Frau auch lieber gewesen.

     

    Ob man jemandem zutraut, einen guten Wahlkampf zu machen, hat auch nichts mit dem Geschlecht zu tun. Hätte man es Barley NICHT zugetraut, wäre sie deutlich früher entsorgt worden. Schnippische Bemerkungen über IHRE Perfomance in Verbindung mit ihrem Geschlecht hätte sich übrigens jede anständige Feministin aufs schärfste verbeten. Was soll also jetzt der Seitenhieb auf Heil, nur weil er bislang keine Wunder gewirkt hat??

     

    Keine Sorge, wenn das im September für die SPD so in die Hose geht, wie sich aktuell andeutet, wird auch er ersetzt werden, im Zweifel auch wieder durch eine Frau - und Alle sind happy, weil die wichtigste Aufgabe von allen erfüllt ist: Geschlechterproporz Sichern. Oder geht es in Wahrheit NUR darum? Ein Posten, auf dem hintereinander drei Frauen gesessen haben, darf nicht mehr an einen Mann gehen?? Das wäre echt peinlich.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Ein nicht zu vernachlässigender Grund jedoch ist die nach wie vor existierende Misogynie: Frauen? Ja gern. Aber vorn bitte Männer. Darüber kann Katarina Barley sicher einiges erzählen."

     

    Wo ist diese Frauenverachtung verortet (sozial, diskursiv, geschichtlich) - und wo nicht?

    Ich finde es "irritierend" wenn pauschale Fingerzeige nach überall und nirgends verteilt werden. Das trifft unvermeidlich auch die falschen mit derselben Härte.

     

    Wie sieht es denn konkret bei den Grünen und der Linkspartei aus? Hat es vielleicht etwas damit zu tun, dass alle Mitglieder des Bundeskabinetts ein Kirchenbuch haben und das konfessionslose Drittel der Bevölkerung für die SPD nur als Stimmvieh dient?

    Gibt es Unterschiede zwischen Wählern und Politikern, wie sieht es in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus aus?

     

    Ich empfinde im Übrigen diese kapitalistische Gesellschaft auch als männerfeindlich. Bei Frauen wird permanent daran gedacht, dass sie Familie und Beruf miteinander vereinbaren müssen, darüber wird die ganze Zeit gesellschaftlich diskutiert.

    Wie Bau- oder Gleisarbeiter auf Montage oder Brummifahrer auf Achse ihre Berufe mit der Familie vereinbaren können, interessiert gelinde gesagt aber kein Schw.... Bei Männern wird oft noch davon ausgegangen, dass Familie - so einfach! - keine Rolle zu spielen hat.

  • Kandidatur bei den Grünen aufs Amt der beiden Parteivorsitzenden:

    3 Männer als Kandidaten

    1 Frau als Kandidatin

     

    und das bei der Partei mit dem höchsten Frauenanteil. Aber Frauen werden ja nicht durch Interessenlosigkeit keine Politikerinnen, nein das liegt NUR am fiesen Patriarchat...

  • 2G
    2730 (Profil gelöscht)

    Rätselnd vor diesem Erguss sitzend fällt mein Auge auf den Kommentar unter "Meistkommentiert" und es fällt mir wie Schuppen von den Augen: "Plump den (Frauen-)Stammtisch bedient"

    Vorab: Ein Frauenanteil im Bundestag von weniger als einem Drittel ist beschämend. Punkt, keine Diskussion. Ob allerdings die frei werdende Generalsekretärinnen-Stelle mit Mann oder Frau besetzt werden musste - über eine derartige Proporzfrage könnte man trefflich streiten, die Frauenquote des Bundestages wird deswegen nicht zwangsläufig kippen.

    Aber eine qualifizierte Politikerin wie Frau Dr. Barley zu opfern auf dem Altar des Medienfeminismus' ist mindestens genauso beschämend wie der Frauenanteil des Bundestages. Ministerin einer Regierung ist deutlich mehr als GS'in einer U30%-Partei, eröffnet auch ganz andere strategische Perspektiven. Z.B. vielleicht der erste Schritt Richtung Gesundheitsministerium, für eine Medizinrechtlerin eine verlockende Perspektive.

    Wenn ein Mann Frau Dr. Barley als "Verschiebemasse" bezeichnet hätte, würde man es sicher als "frauenverachtend" qualifizieren - zu Recht!

    Also: Gleiches Recht für alle, Frau Schmollack.