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Kommentar Erlebniswelt RenaissanceDie Hightech-Ruine

Kommentar von Benno Schirrmeister

Um an das Multimedia-Projekt glauben zu können, mussten alle Entscheider ihre Augen fest verschließen. Jetzt richtet der Mangel an Kontrolle gleich doppelten Schaden an.

D ie Pleite in Hameln ist ein Musterbeispiel für verfehlte Förderpolitik: Angeschoben wurde das Projekt Erlebniswelt Renaissance auf Basis delirierender Gefälligkeitsgutachten. Um denen glauben zu können, mussten alle Beteiligten die Augen fest verschließen. Was man auch für die übrigen Kontrollen beibehielt - dass am Ende ein Streit um zweckentfremdete Subventionen steht, passt ins Bild.

Ärgerlicher aber ist, dass man auch auf eine kritische Instanz fürs Inhaltliche verzichtet hat: Gerade weil das Projekt keinen Vorläufer hatte, wäre es wichtig gewesen, Ausstellungspraktiker auf die Pläne schauen zu lassen. Dass nämlich eine zu 100 Prozent synthetische Renaissance-Show niemanden rockt, dass Historie nur da fasziniert, wo neben technologisch hipper Vermittlung auch das authentische Objekt seine Aura entfaltet - das ist ein Gemeinplatz der Geschichtsvermittlung. Hamelns Misserfolg bestätigt ihn ebenso wie der Erfolg, den die gleiche Technik in historischer Umgebung etwa von Schloss Bevern entfaltet.

Dieser Kontrollmangel richtet doppelten Schaden an: Wo das Konzept aufgegangen ist, kämpft man mit dem Image des Pleite-Labels EWR. Dort, wo es nicht funktioniert, hat man eine Hightech-Ruine geschaffen: Ohne erneuten Umbau lässt sich das Hochzeitshaus nicht einmal als Museum nutzen.

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Reporter und Redakteur
Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.
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