Kommentar Erbgutuntersuchung: Wo der Mensch zur Norm wird
Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis der neue Gentest für Embryonen einsatzfähig ist. Gibt es ihn erst einmal, werden weitreichende ethische Fragen aufgeworfen.
N och ist der neue Bluttest zur Erbgutuntersuchung von Embryonen nicht einsatzfähig. Seine Aussagekraft ist noch zu ungenau, und vor allem ist er für den praktischen Einsatz noch viel zu teuer. Es ist jedoch nur ein Frage der Zeit, dass diese beiden Hemmnisse für die klinische Anwendung ausgeräumt sind.
Bei den bisherigen vorgeburtlichen Genuntersuchungen, wie etwa bei der Fruchtwasseruntersuchung oder dem Nabelschnurbluttest, muss mit einer Nadel durch die Bauchdecke der Schwangeren gestochen werden. Dieser invasive Eingriff führte dann oftmals zu einem Abbruch. Bei dem neuen Verfahren bestünde diese Gefahr nicht mehr. Für viele Humangenetiker war es schon immer ein Wunschtraum, einen Gentest an Embryonen durchführen zu können, ohne diesen zu gefährden.
Die aus Politik und von Humangenetikern zu hörenden Bemerkungen, wie: „Dieser Test hat keinen praktischen Nutzen“, sind daher überhaupt nicht hilfreich. Sie verdecken nur, dass diese oder auch ähnliche in der Erforschung befindliche Verfahren das Potenzial haben, die gesamte vorgeburtliche Gendiagnostik zu revolutionieren und weitreichende ethische Fragen aufzuwerfen: Sollen sich werdende Eltern die genetische Ausstattung ihres Nachwuchses aussuchen dürfen? Darf nur nach krankheitsauslösenden Genen gesucht werden? Darf den Wunsch der Eltern nach einem Supersportler erfüllt werden?
ist Wissenschaftsredakteur der taz.
Nein, das sind nicht nur Utopien: daran wird geforscht. Heute schon gibt es den Gentestchip, für den ein winziger Blutstropfen ausreicht, um nach mehr als 3.000 krankheitsauslösenden Genen zu suchen. Dabei wird es nicht bleiben. Steht der neue Gentest erst einmal für „jedermann“ zur Verfügung, dann wir er auch nachgefragt. Dann sind der „Eugenik von unten“ keine Grenzen mehr gesetzt.
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