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Kommentar EnergiewendeHuch, Fortschritt kostet

Kommentar von Manuel Berkel

Warnungen vor einer Kostenexplosion wegen neuer Stromleitungen sind absurd: Denn neue Leitungen sparen sogar Geld. Der Streit sorgt vor allem für Verunsicherung.

R echthaberei und verbissenes Suchen nach Schuldigen haben mal wieder Hochkonjunktur. Irgendjemand muss doch verantwortlich sein für die steigenden Energiepreise. Die grünäugigen Ideologen der Energiewende? Oder doch die raffgierigen Stromanbieter? Nach Solarmodulen sollen nun neue Stromleitungen schuld sein an der herbeigeredeten „Kostenexplosion“. Im Fall des Stromnetzes ist das besonders absurd.

Denn neue Leitungen sparen sogar Geld. Wenn an der Küste wenig Wind weht, kann Solarstrom aus Spanien fließen. Wenn die Niedersachsen nicht wissen, wohin mit all dem Windstrom, können die Franzosen Atomkraftwerke drosseln, einige vielleicht sogar abschalten. Dafür müssen hierzulande weniger teure Stromspeicher oder Kraftwerke gebaut werden.

In Deutschland wird die große Erzählung der Energiewende dagegen immer mehr abgelöst von kleinlichen Kostendebatten, die selbst Fachleute kaum noch verstehen. Selbstverständlich dürfen die Energiepreise für die Verbraucher nicht ausufern. Aber abgehobener Streit über die „Kostenexplosion“ sorgt vor allem für eins: Verunsicherung. Die droht zu einem Stillstand zu führen, der mit dem Stromnetz selbst solche Technologien behindert, die wesentlich mehr Vor- als Nachteile haben.

MANUEL BERKEL

ist freier Mitarbeiter der taz.

Was fehlt, ist vor allem Fortschrittsglaube. Jede Technik, die uns das Leben erleichtert, kostet nun einmal etwas. Auch zu Beginn des Eisenbahnzeitalters hätten die Menschen sagen können: „Ein Schienennetz quer durchs Land? Viel zu teuer!“ Würde mehr Begeisterung für neue und bessere Technik herrschen, hätten die Teile der Energiewirtschaft, die mit dem Hinweis auf die „Kostenexplosion“ den Status quo sichern wollen, viel weniger Erfolg.

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9 Kommentare

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  • V
    vic

    Und wenn- was absehbar ist- der Verbrennungsmotor von zeitgemäßer Technik abgelöst wird, wird auch das erstmal teurer, und dasselbe Theater geht von vorne los.

    Huch!

  • H
    Hans

    Ein Artikel auf dem Niveau der Schüler-Ausgabe des Wochenblättchens von Robin Wood - wie kann man so etwas geistig Schlichtes denn veröffentlichen? Peinlich.

  • AN
    Ano Nymos

    Sehr geehrter Herr Berkel,

    bei den Protesten ging es vornehmlich darum, dass Opas Technik als neu verkauft werden sollte und man wollte / will sich für die „Neuerungen“ Subventionen sichern. So bei den Stromtrassen: Wenn die Netzbetreiber ihre vorhandenen Leitungen auf den Stand bringen, müssen sie es selbst bezahlen. Neue Stromtrassen gibt’s per Subvention von der Allgemeinheit.

    Und Sie wissen auch, (ichsetzte das voraus) dass Großabnehmern satte Rabatte eingeräumt werden. Die Zeche für den Machterhalt der Netzbetreiber zahlt also der Kleinabnehmer. Wobei die Netzbetreiber ja bekanntermaßen gaaanz liebe Menschen sind: Die machen es nur, um Arbeitsplätze zu erhalten. Man denke nur an die Klagen von im Zusammenhang der Abschaltung AKW’s für entgangene Profite. Schon vergessen?!

  • GO
    Gottfried Ohnmacht-Neugebauer

    Manuel Berkel erinnert an die Sonntagsredner, die "mehr Vertrauen für die Politik" fordern. Er sagt, was fehle, sei vor allem "Fortschrittsglaube". Brauchen wir davon wirklich noch mehr? Oder brauchen wir vielleicht statt dessen etwas mehr Fortschrittskritik? Könnte es vielleicht sein, dass die gegenwärtige Diskussion um die Kosten der Netze vor allem von einer Frage ablenkt, nämlich von der Frage, welche Machtstrukturen durch die Struktur der Energieversorgung gefestigt werden sollen? Und hülfe uns da mehr "Vertrauen", oder wäre es vielleicht doch besser, zum Rechenstift zu greifen? Wohin zu viel Fortschrittsglaube führt, das kann man derzeit in Stuttgart wunderbar beobachten, wo für ein völlig unwirtschaftliches Projekt ein ganzes Stadtzentrum verwüstet wird. Wer angesichts der Zerstörungen, die im Namen eines Fortschritts angerichtet werden, der diesen Namen nicht verdient, noch für mehr "Fortschrittsglaube" plädiert, der ist vielleicht nur noch nicht in der Welt der Aufklärung angekommen. Fortschritt ist nicht linear. Es ist an der Zeit, dass sich die Bürger gegen einen destruktiven Fortschrittswahn zur Wehr setzen. Allein in Stuttgart zeigen jeden Montag tausende Demonstranten, dass sie das begriffen haben.

  • G
    Gerald

    AKWs kann man nicht mal einfach so drosseln wenn der Wind heftiger weht. Stromleitungen verursachen Kosten und Verluste. Der Autor sollte sich lieber mal ein wenig sachlich und nicht durch die rosarote Brille der PC mit der Materie beschaeftigen bevor er einen Artikel schreibt

  • I
    ijoe

    Einerseits kostet es mehr, andererseits weniger. Wenn sich schon im gleichen Artikel widersprochen wird: was soll man davon halten?

    Was zählt, steht auf meiner Rechnung: die ist gestiegen, bei annähernd gleichem Stromverbrauch.

    DAs als "kleinlich" zu bezeichnen ist wieder die übliche Beschimpfung.

  • G
    Gerda

    Ein Artikel, der in seiner wirklich erstaunlichen Naivität vor allem eines deutlich macht: Die Energiewende ist Geschichte. Man wird jetzt noch diesem dümmlichen grünen Traum ein paar Jahre lang Geld hinterherwerfen und in 20 Jahren wird man nur noch müde darüber lachen, dass man echt mal dachte, man müsste unbedingt mit Wind und Sonne Strom erzeugen. Aber die unbelehrbaren grünen Ideologen werden dann brav die Schuld irgendwelchen dunklen Mächten in die Schuhe schieben - und ganz, aber ganz sicher eine neue Sau durchs Dorf treiben. In der letzten Zeit mal was vom Ozenloch gehört? FCKW und so was? Wissenschaftliche Begründungen damals, in den muffigen 80ern - Null. Kosten? Billionen.Und wie geht es noch mal dem Waldsterben? Und hat man den letzten Fisch eigentlich schon gefangen? Geschichte wiederholt sich nun mal.

  • AN
    Ano Nymos

    Sehr geehrter Herr Berkel,

    bei den Protesten ging es vornehmlich darum, dass Opas Technik als neu verkauft werden sollte und man wollte / will sich für die „Neuerungen“ Subventionen sichern. So bei den Stromtrassen: Wenn die Netzbetreiber ihre vorhandenen Leitungen auf den Stand bringen, müssen sie es selbst bezahlen. Neue Stromtrassen gibt’s per Subvention von der Allgemeinheit.

    Und Sie wissen auch, (ichsetzte das voraus) dass Großabnehmern satte Rabatte eingeräumt werden. Die Zeche für den Machterhalt der Netzbetreiber zahlt also der Kleinabnehmer. Wobei die Netzbetreiber ja bekanntermaßen gaaanz liebe Menschen sind: Die machen es nur, um Arbeitsplätze zu erhalten. Man denke nur an die Klagen von im Zusammenhang der Abschaltung AKW’s für entgangene Profite. Schon vergessen?!

  • DJ
    Dirk J.

    Was möchte uns der Autor eigentlich sagen? Dass die Strompreise nicht steigen? Nein, das ist ihm doch viel zu gefährlich - heute sind die Artikel ja noch in Jahrzehnten lesbar. Dass sie steigen, aber dass wir uns dafür freuen können, weil dieser Strom viel fortschrittlicher ist? Brilliantes Argument für unsere internationalen Mitbewerber, die nicht am deutschen Wesen genesen wollen und so böse Dinge tun wie z.B. nach Gas zu suchen (von Atomkraft nicht zu reden). Geradezu putzig das Eisenbahnargument: Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass, wenn es die Grünen bereits im 19. Jh. gegeben hätte, es weder Eisenbahnen noch Elektrizität für die Masse gäbe.