Kommentar Biodiesel: Letzte Schlacht der Bio-Engel
Die Biodiesel-Industrie hält sich für ökologisch korrekt und durch böse Kräfte vom Aussterben bedroht: Beides völlig zu unrecht.
D ie deutschen Biodieselhersteller stehen mit dem Rücken zur Wand. Gleich an mehreren Fronten droht ihnen Ungemach: Die Preise auf dem Pflanzenölmarkt sind massiv gestiegen. Gleichzeitig haben weltweite Überkapazitäten der Branche die Preise purzeln lassen. Und jetzt will auch noch die Bundesregierung so lange die Steuerschraube anziehen, bis für Biodiesel genau soviel Mineralölsteuer fällig ist wie für fossilen Diesel.
TARIK AHMIA ist Redakteur für Wirtschaft und Umwelt - und hält nicht viel vom Pflanzensprit.
So gesehen sind die Aussichten für die Branche mit ihren mittelbar 80.000 Mitarbeitern alles andere als rosig. Auf die gesetzlich festegelegte Biodieselsteuer nun alarmiert zu verzichten, dürfte an der Misere jedoch kaum etwas ändern. Denn die Schwierigkeiten der Branche haben am wenigsten mit der Besteuerung der Biotreibstoffe zu tun. Sie ist ökologisch richtig, denn der heutige Biodiesel besitzt gemessen an seiner Ökobilanz keinen Vorteil gegenüber fossilem Diesel.
Die Misere der Biodieselhersteller ist vor allem hausgemacht. Da wären zunächst die Überkapazitäten: Die Entscheidung, viel Geld in Anlagen für Biodiesel zu investieren stammt aus einer Zeit, als Steuerfreiheit und niedrige Rohstoffpreise jede Ölmühle zu einer Gelddruckmaschine machten. Dabei hat die Aussicht auf leicht verdientes Geld in der Branche den Blick für das richtige Maß getrübt. Massiv wurden Anlagen aufgebaut, die sich unter den heutigen Umständen nicht mehr rechnen.
Zusätzlich verschärft der Weltmarkt die Lage. Subventionierter Biodiesel aus anderen Ländern bringt die deutschen Hersteller in die Bedrouille. Sie wollen in einer Liga mitspielen, die die überwiegend kleinen bis mittelständischen Hersteller überfordert. Ihre Branche wird mittlerweile von Agrar-Giganten wie den USA und Brasilien beherrscht. So gesehen kündigt sich in Deutschland eher eine strukturelle Marktbereinigung an, als der Abgesang einer ganzen Branche. Das ist für die einzelnen Unternehmen tragisch. Aus industriepolitischer Sicht ist sie jedoch unvermeidlich. Daran dürften auch ein paar Cent mehr oder weniger Mineralölsteuer nichts ändern.
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