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Kommentar Berliner SPDDenn sie wissen nicht, was sie tun

Kommentar von Stefan Alberti

Erst klappt die Flughafeneröffnung nicht, jetzt stößt der Parteitag Klaus Wowereit vor den Kopf. Wenn er geht, hat die SPD ein großes Problem.

E s hat es nicht leicht, der Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister und lange Strahlemann der Berliner SPD. Erst wurde die Eröffnung des neuen Großflughafens verpatzt, und nun kippt ihm die eigene Partei seinen wichtigsten Helfer, den langjährigen Landeschef Michael Müller, und wählt einfach einen Parteilinken.

Gegärt hatte es schon lange bei den Hauptstadtsozis. Immer größer wurde der Ärger darüber, dass – gefühlt oder echt – zu wenig von dem, was die Partei beschloss, in Regierungshandeln umgesetzt wurde. Und zwar nicht weil der jeweilige Koalitionspartner auf die Barrikaden stieg, sondern weil Wowereit es nicht wollte.

Dass es nicht schon früher knallte, lag einzig an der Landtagswahl im vergangenen Jahr. Danach aber hielt Wowereits Gegner nichts mehr – erst recht, weil er die SPD in eine ungeliebte Koalition mit der CDU steuerte. So weit, so verständlich.

Stefan Alberti

ist taz-Redakteur für Landespolitik in der Berlin-Redaktion.

Was die Mehrheit der Partei aber nicht wahrhaben will, ist, dass sie für ihre legitime Forderung nach mehr Beteiligung ihre Regierungsmacht aufs Spiel gesetzt hat. Die hing bei der vergangenen Wahl allein an Wowereit – haut der demnächst genervt in den Sack, steht die SPD dumm da. Den neuen SPD-Parteichef als exponierten Linken würde der Nochkoalitionspartner CDU kaum als Nachfolger mittragen. Neuwahlen aber würden für die SPD, beschädigt durch die Querelen und das Flughafen-Chaos, in ein Desaster münden.

Die Aufmüpfigen leiden also an Realitätsverlust: Sie wollen Wowereit darauf beschränken, ihre Politik zu exekutieren, und gleichzeitig mit ihm als Aushängeschild an der Regierung bleiben. Wowereit aber lässt sich nichts vorschreiben. Nach zehn Jahren Zusammenarbeit sollten man seinen Chef ein wenig kennen.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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3 Kommentare

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  • D
    Detlev

    Wenn er bleibt, hat die SPD auch ein großes Problem. Ich kann nicht ganz verstehen, warum Wowereit so einen Kultstatus hat. Sein Kurs auf Große Koalition hat die Piraten in die Parlamente befördert, seine Absage an andere, schwierigere Bündnisse zeigt eine unglaubliche Einfalsslosigkeit und seine Partyallüren und jovale Berliner-Art sorgt für Sorglosigkeit bei hohem Problemhaushalt.

     

    Berlin ist im Grunde genommen die Horror-Stadt in Sachen Politik, Haushalt, Schulden, Arbeitslosigkeit, Skrubellosigkeit, Mieterverdrängung durch Spekulanten und der Verwahrlosung. Aber für die SPD geht's immer nur schnöde um Pöstchen und die wenigen Sahnehäubchen, die der Haushalt noch her gibt. Und den VIP-Geniesserplatz hat Wowie inne, aber, wenn es so weiter geht, dann bestimmt nicht mehr lange.

  • D
    deviant

    Was erlauben sich die Parteilinken da!?

    Da versuchen sie lieber ihre eigene Politik zu stützen, als Fehlentwicklungen zu bejubeln und das reine Machtinteresse der Parteirechten zu tolerieren!

     

    Die Partei gehört dem Parteiführer, sie muss in blindem Kadavergehorsam seine Linie unterstützen!

    Wo kämen wir denn hin, wenn hier jeder frei wählen dürfte!? Wir wissen doch, dass alle Parteien sich quasi aufgelöst haben, wenn ihre Führer keine Lust mehr hatten, man denke nur an Kohl und Schröder, an Oettinger, von Beust, Carstensen, Müller, Koch...

  • W
    Wowereitversteher

    Aha. Ich dachte die Berlinerinnen und Berliner hätten die SPD gewählt und nicht Wowereit. So sieht es jedenfalls Landesverfassung und Landeswahlgesetz vor. Und ja, die GEwaltenteilung sieht vor, dass die Regierung die Politik exekutiert, welche vom Parlament beschlossen wurde. Das habe ich jedenfalls so in der 5 Klasse gelernt. Kann natürlich sein, dass das mittlerweile anders ist.

     

    Jetzt der SPD nach jahrelangem stillhalten gegenüber der Politik von Wowereit vorzuhalten, dass sie gegen ihn aufbegehrt, ja gegen ihn entscheidet, weil sie auch mitreden wollen, ist doch voll und ganz einem Frontendenken geschuldet, wie es auch Wowereit an den Tag legt. Zeigte er ja zuletzt bei seiner Rede für Müller. Und wenn man die SPD auch nur ein bisschen kennt, weiß man, dass der Machterhalt dort über alles geht. Das hat doch der Wechsel von Rot Rot zu Rot Schwarz trotz linker Mehrheit in der Partei und der Fraktion gezeigt. Jetzt denkt man eben schon an die Zeit nach Wowereit und baut einen eigenen Kandidaten auf. Denn nichts für ungut aber mit dem spröden Müller sind nun wahrlich keine Wahlen zu gewinnen.

     

    Wowereit ist nach dem jahrelangen mauscheln selbst schuld an der Entwicklung. Wer die eigene Partei nicht mitnimmt und ihr munter ein bis zweimal im Jahr kräftig vor den Kopf stößt muss damit rechnen, dass er abgestraft wird und sei es nur stellvertretender Weise.

     

    Bundespolitisch ist für Wowereit eh nichts zu holen. Dort ist er zu wenig präsent und als Bundeskanzlerkandidat hat er dann in jüngster Vergangenheit dann doch zu viel verbockt. Letzte Bundestagswahl wäre die Stunde für ihn gewesen auf dem Zenit seiner Macht. Jetzt ist es zu spät für ihn. Er ist der Flughafencrasher, nicht mehr und nicht weniger. Will man so einem die (Mit-)Verantwortung über die Eurokrise geben? Ich glaube es kommt nicht gut, wenn Europa darüber informiert wird, dass z.B. in vier Wochen der Euro gescheitert und durch nationale Währungen ersetzt wird.