Kommentar Baby Doc zurück in Haiti: Gelungenes Comeback
Baby Doc hat den Zeitpunkt seiner Rückkehr gut kalkuliert. In Haiti kann ihm gerade nichts passieren. Und die Erinnerung an sein Schreckensregime vor 25 Jahren ist längst verblasst.
D as hat gerade noch gefehlt. Ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben liegt Haitis Hauptstadt Port-au-Prince noch immer in Trümmern. Eine Cholera-Epidemie hat über 3.000 Menschen dahingerafft. Die Amtszeit des kaum mehr wahrnehmbaren Präsidenten René Préval endet in drei Wochen, und noch ist völlig unklar, ob und wie ein Nachfolger gewählt wird. In dieser Zeit höchster politischer und sozialer Spannung kommt nun auch noch Exdiktator Jean-Claude Duvalier aus dem Exil zurück.
Die explosive Gemengelage zeigt: Der politischen Elite Haitis - und dazu gehört schlagartig auch wieder Baby Doc Duvalier - ist das Los des Volkes schnurz. Eigentlich hätte ein Erdbeben solchen Ausmaßes eine Regierung der nationalen Einheit erfordert, die gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft schnell und effektiv handelt. Das wäre vernünftig gewesen, war aber nicht möglich, weil jeder aus der Elite nach der Macht und den als Hilfe zugesagten Milliarden schielt.
Baby Doc hat den Zeitpunkt seiner Rückkehr gut kalkuliert. Derzeit kann ihm in Haiti nichts passieren. Würde er, was er verdient hat, ins Gefängnis geworfen, würden ein paar bewaffnete Anhänger genügen und das Pulverfass würde explodieren. Es ist kein Zufall, dass er genau an dem Tag kam, an dem eigentlich die Stichwahl um die Präsidentschaft hätte stattfinden sollen, es aber nicht konnte, weil man sich noch darüber streitet, wer teilnehmen darf.
ist Korrespondent der taz in Mittelamerika.
25 Jahre nach dem Ende der Duvalier-Diktatur denken viele Haitianer nicht mehr an die Todesschwadrone der Tonton Macoutes. Aber man erzählt sich immer öfter, dass es damals doch nicht so chaotisch war. Der Beginn eines Comebacks könnte kaum besser sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“