Kommentar Annette Widmann-Mauz: Integration als Nebenthema
Die CDU macht eine sachfremde Politikerin zur Integrationsbeauftragten. Damit zeigt sie, dass das Thema für sie nur geringe Bedeutung hat.
N eu sein heißt nicht unbedingt schlecht sein. Auch Politiker, die sich im jeweiligen Sachgebiet noch nie hervorgetan haben, sind in der Vergangenheit zu guten Ministern geworden, wenn der Parteiproporz sie ins jeweilige Amt gespült hat. Insofern kann man der neuen Integrationsbeauftragten Annette Widmann-Mauz nicht schon vor Amtsantritt vorwerfen, dass sie in Sachen Migrationspolitik bisher wenig Erfahrung hat.
Und dennoch verursacht die Personalie Bauchschmerzen. Widmann-Mauz ist eigentlich mit Herzblut Gesundheitspolitikerin und wohl aus parteipolitischen Erwägungen in das neue Amt gerutscht. Damit zeigt die Union, dass ihr die Jahrhundertthemen Migration, Flüchtlinge und Integration so wenig wert sind, dass sie einen wichtigen Regierungsposten fast beiläufig vergibt.
Außerdem belegt die Besetzung, dass die Union Migration hauptsächlich ordnungs- und sicherheitspolitisch betrachtet. Während der neue Heimatminister Horst Seehofer großspurig Abschiebeoffensiven ankündigt, und die SPD in Sachen Asylrecht stetig weiter nach rechts driftet, wäre ein repräsentatives Gegengewicht in Form einer sachkundigen Integrationsbeauftragten – die die Perspektiven von Migranten auch innerhalb der Bundesregierung vertritt – wichtig gewesen.
Deshalb wäre es auch wünschenswert, eine Politikerin mit Migrationshintergrund für das Amt zu nominieren. Jemanden, der Einwanderperspektiven nicht nur aus der Ferne kennt. Die jüngst aus dem Amt geschiedene Sozialdemokratin Aydan Özoğuz hatte beispielsweise einen türkischen Migrationshintergrund.
Auf der Suche nach passenden Gesichtern wäre die CDU in den Reihen der eigenen Bundestagsfraktion allerdings auch nur schwer fündig geworden. Lediglich zwei christdemokratische Abgeordnete haben einen außereuropäischen Migrationshintergrund. Unter anderem das auf Dauer zu ändern, wäre eine wichtige Aufgabe für die neue Integrationsbeauftragte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Alice Weidel bei Schweizer „Weltwoche“
Kolumne zuerst!