Kolumne Verena Becker: RAF, Buback und "Bild"
Der Hype ist gar kein Hype. Die Akten sind seit langem bekannt und ihr Inhalt veröffentlicht. Politik und Medien reagierten auf den Fall Verena Becker hektisch - "Bild" vorneweg.
W enn es darum geht, Sensationen zu enthüllen, ist auf die Bild-Zeitung Verlass. Wie eng war der Kontakt des einstigen RAF-Mitgliedes Verena Becker zum Verfassungsschutz? Und welche Rolle spielte sie beim Mord am Generalbundesanwalt vor mehr als 32 Jahren?
Das fragte das Boulevardblatt besorgt am Anfang dieser Woche - um die Antwort noch im selben Text hinterherzuschieben: "Die RAF-Terroristin, die 1989 begnadigt wurde, soll bereits 1972 Kontakt zum Verfassungsschutz gehabt haben. Also bereits fünf Jahre vor dem brutalen Mord an Buback." Weiter: "Ihr Onkel in der DDR soll gewusst haben, dass sie am Buback-Mord aktiv beteiligt war."
Quelle für den Sensationsreport, der die These nahelegt, der Verfassungsschutz hintertreibe möglicherweise die Aufklärung der Tat, um eine Informantin zu schützen: Stasi-Akten, die der Bild-Zeitung vorliegen und aus denen das Blatt zitiert: "Es liegen zuverlässige Informationen vor, wonach die B.(ecker) seit 1972 von westdeutschen Abwehrorganen wegen der Zugehörigkeit zu terroristischen Gruppierungen bearbeitet bzw. unter Kontrolle gehalten wird."
Das sorgte umgehend für Aufregung. Allein im Nachrichtenportal Paperball führen die Stichworte Bild, Becker und Verfassungsschutz zu 129 weiteren Medienberichten, die sich - von der Hamburger Morgenpost bis zur Augsburger Allgemeinen - auf die Bild-Meldung beriefen.
Die Politik musste natürlich reagieren; deren Vertreter forderten ultimativ, Innenminister Wolfgang Schäuble müsse endlich die Akten des Verfassungsschutzes in Sachen Becker offenlegen, die dieser im Frühjahr 2008 zum Wohl der Bundesrepublik hat sperren lassen.
Bei all der Aufregung musste eine Kleinigkeit geradezu untergehen: dass der Hype kein Hype ist. Die Stasiakten sind seit langem bekannt und ihr Inhalt veröffentlicht. Möglicherweise hat Bild verschlafen, dass der Sohn des Ermordeten, Michael Buback, bereits Ende vergangenen Jahres in seinem Buch "Der zweite Tod meines Vaters" (Drömer Verlag) exakt die gleichen Akten zitiert hat, ohne dass es anschließend den Strafverfolgern bei der Klärung des Buback-Mordes weiterhalf. Sollte die Redaktion aber ganz ausgeschlafen das Buch gelesen haben, dann halten wir fest: Auf Bild ist Verlass.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen