Kolumne Rote Erde: Schluss mit dem Fußball
Man kennt mich hier mittlerweile. Der Tankstellenpächter grüßt mich zum Beispiel mit einem freundlichen "Heil Hitler". Und empfiehlt mir das Samstagsspiel gegen Neuseeland. Hä?
M an kennt sich hier in der Nachbarschaft im Süden Johannesburgs. Und man kennt mich mittlerweile. Mit einem freundlichen "Heil Hitler!" begrüßt mich der Tankstellenpächter, einer der vielen coloured people im Viertel, bei dem ich mir in der Früh etwas zu trinken kaufe. Er unterhält sich mit mir über das deutsche Desaster im Halbfinale. Für ihn ist die WM damit beendet. Auf das Finale hat er keine Lust mehr. "Mal sehen, wie wir am Samstag spielen", sagt er. Am Samstag? "Gegen Neuseeland", klärt er mich auf und schickt mich mit dem Hitlergruß nach Hause.
"Am schönsten war es, als die Holländer da waren." Die Wirtin der Pension, in der ich in Durban übernachtet habe, schwärmt immer noch von den Fans in Orange, die die ganze Stadt eingefärbt haben, als ihr Team in der Stadt gespielt hat. "Aber das ist jetzt vorbei", sagt ihr Partner. Am Samstag beginne eine neue Zeitrechnung. "Gegen Neuseeland." Da könne man sehen, wie sportbegeistert die Südafrikaner wirklich seien. Und er empfiehlt mir den Besuch einer Sportkneipe. "Da drehen wir Buren richtig auf", sagt er.
Am Samstag beginnt das Tri-Nations-Turnier. Südafrika, Australien und Neuseeland kämpfen drei Monate lang um den Titel der besten Rugbymannschaft der südlichen Hemisphäre. An diesem Tag treten die Springboks, die Weltmeister aus Südafrika, in Auckland zum Auftaktspiel gegen den sechsmaligen Tri-Nations-Champion Neuseeland an. Mir ist das zu früh. Ich müsste schon um halb zehn Uhr morgens in der Kneipe sein, um den Buren zusehen zu können, wie sie fette Würste essen und sich eimerweise Bier in die Bäuche spülen.
Andreas Rüttenauer ist Sportredakteur der taz und berichtet aus Südafrika.
Ich frage mich, ob die sportaffinen Buren nach ausgeschlafenem Rausch am Sonntag dann den Niederlanden im Fußballfinale die Daumen drücken werden. Viele von ihnen, vor allem diejenigen, die sich als die wahren Buren verstehen, sind Abkömmlinge der Landnehmer aus den Niederlanden, die Mitte des 17. Jahrhunderts begonnen haben, im südlichen Afrika zu siedeln. Ich frage einen Kollegen der Tageszeitung The Star danach, einen Buren. Für den gibt es keinen Zweifel. Das wichtigste Spiel für die Buren in diesem Jahr findet in Soccer City statt. Seit Mittwoch steht das fest. Am 21. August empfangen die Springboks im dann ehemaligen WM-Stadion die All Blacks aus Neuseeland. "Tri nations, Sie verstehen?"
Wie die Niederlande gegen Spanien am Sonntag Fußball spielen, das aber ist ihm scheißegal. Und im August fallen dann die Buren in Soweto ein.
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