Kolumne Luft und Liebe: Männer müssen stinken
Männer müssen beschnitten sein und Strumpfhosen tragen, Frauen müssen gar nichts. Jedenfalls wenn es nach Google Deutschland geht.
Es ist kompliziert mit den Frauen. Ja, ich weiß, hab ich schon mal gesagt, stimmt aber immer noch. Und es ist kompliziert mit Google. Weil Google petzt, wie scheiße die Leute so drauf sind.
Wie scheiße genau, zeigt eine neue Kampagne der Vereinten Nationen, beziehungsweise eine Kampagne von „UN Women“, der Abteilung für Gendergerechtigkeit und Empowerment von Frauen.
Zu sehen sind vier Plakate mit Gesichtern von Frauen. Da, wo eigentlich der Mund sein müsste, ist auf dem Plakat ein Google-Eingabefeld mit den Worten „Frauen können nicht …“, „Frauen sollten nicht …“, „Frauen sollten …“, „Frauen müssen …“. Darunter die jeweiligen Vorschläge, die die Autovervollständigung von Google anbietet: „Frauen können nicht Auto fahren“, „Frauen sollten keine Rechte haben“, nicht wählen dürfen, nicht arbeiten, nicht boxen. „Frauen müssen kontrolliert werden“ und „Frauen sollten zu Hause bleiben“.
Die Vervollständigungen ergeben sich aus Suchanfragen vom März dieses Jahres. Wenn man die Suche heute wiederholt, sind die Ergebnisse ähnlich. Sie spiegeln die scheußlichen Dinge wieder, die Menschen ins Internet schreiben – allerdings nur auf Englisch. Wer die Satzanfänge auf Deutsch eingibt, bekommt von Google keine Vorschläge. „Frauen sind …“ oder „Frauen haben …“ führt zu keinem Ergebnis.
Und die Männer?
Bei Männern dagegen liefert Google reichlich: „Männer müssen nicht schön sein“, „Männer sollten beschnitten sein“, „Männer sollten Strumpfhosen tragen“, „Männer dürfen nicht weinen“, „Männer dürfen nicht neben Kindern sitzen“, „Männer müssen stinken“, „Männer müssen kämpfen“.
Ja, müssen sie? Kämpfen wie die Frauen vielleicht? Hat für die Frauen schon jemand bei Google Deutschland erkämpft, dass es keine klischeehaften, hässlichen Vervollständigungen mehr gibt? Hat Google das womöglich von alleine gemacht?
Google //support.google.com/websearch/answer/106230?hl=de:schreibt dazu nur sehr allgemein: „Wir möchten Ihnen möglichst relevante Suchanfragen anbieten, schließen jedoch Begriffe aus, die in engem Zusammenhang mit Pornografie, Gewalt, Hassreden und Urheberrechtsverletzungen stehen.“ Begriffe wie „Frauen“ offenbar.
Zu „Frauen würden“ und „Frauen bekommen“ fällt Google nichts ein. Dagegen: „Männer würden bei einer Geburt vor Schmerzen sterben“ und „Männer bekommen keinen hoch“. Das ist nicht nett.
Um die Menschen im Allgemeinen steht es bei Google auch nicht besser. „Menschen sollen“, schlägt Google vor, „frei und gleich sein“, okay. Aber auch: aussterben, gechipt werden und zu Jesus beten. Dafür dürfen sie dann, laut den Vorschlägen zu „Menschen dürfen“, so einiges: Katzenfutter essen und im Gefängnis wählen. (Die Vorschläge zu „Chinesen sind …“ oder „Afrikaner sind …“ wollen Sie nicht kennen.)
Und nun? Auf die Menschen schimpfen, auf Google? Auf Google vielleicht nicht, das scheint zu sich selbst gerade ein schwieriges Verhältnis zu haben. Den Satzanfang „Google ist …“ beendet es jedenfalls so: „Google ist dein Freund“, „Google ist ne Missgeburt“, „Google ist dumm“, „Google ist schwul“.
Leser*innenkommentare
ion
Gast
Nun-ja, wer heutigentages noch googlet, 'muss' wohl "stinken" wie ein Fossil – vermutlich egal ob: intersexuell, männlich oder weiblich.
Schon mal was von Ixquick, resp.: StartPage gehört?
Ausserdem, Suchvorschläge, Auto-Vervollständigung lassen sich in Browsern einfachst abwählen, aber das dürfte für gewisse Frauen zu "kompliziert" sein, ausserdem entginge ihnen dann ja ein blödsinniges Gossipthema, das zudem eine (kicher-kicher) mega-geile Headline liefert.
ridicule
Gast
Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein!
Ja denkste - hie wie da.
Vor mehr als 40 Jahren gab's so Heftchen,
da konnte frauman die erspähten Autokennzeichen eintragen;
hielt ich damals für den Gipfel von Panne;
aber nur Mut - schlümmer geht ümmer:
vollpanne.
Fischers Fritze
Gast
Die Kolumne ist recht unterhaltsam, trotzdem haftet ihr etwas skurriles, morbides an.
Sind sie ein Mensch der die Bodenhaftung verloren hat, weil er am Verlust seiner Ideale leidet?
lichtgestalt
@Fischers Fritze Frauman leidet an ihren/seinen Idealen, nicht an deren Verlust. Erst wenn die weg sind, wird`s lustig.
Rainer B.
Die Verallgemeinerung ist die Ruhebank auf der Wanderung der Gedanken. Manche setzen sich hin und kommen dann nie wieder hoch.
DerWaeller
Gast
Und immer wieder ist zu beachten, dass sich Google diese Vorschläge nicht ausdenkt, sondern sie aus der Fülle der Eingaben heraussucht, welche von den Benutzern vorher eingegeben wurden. Solche Vervollständigkeits-Vorschläge lassen also auf den geistigen Inhalt der Anwender schließen.
Sir Mortimer
Gast
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, wann die vorgeschlagenen Suchergebnisse eingegeben wurden. Dazu gibts eine spannende Theorie, die vermutet, dass die ursprüngliche Kampagne den von ihr bemängelten Inhalt selbst produzierte (zweites Bild im Link).
http://georgjaehnig.wordpress.com/2013/10/25/who-put-all-that-sexism-into-googles-autocomplete/
Ole
Gast
Schon die Ausgangsfrage der UN-Kampagne, in welcher nur auf Frauen geschaut wird, ist auf subtile Art sexistisch.
Blechstein
Gast
Sich einen googeln, das klingt irgenwie nach Onanie oder Penisprothese: "Ich brauch jetzt ein Google, sonst komm ich nicht!"
eliza
Gast
"Wirklich erschreckend"...
Willkommen auf unserem Planeten, ihr Gender-und-PC-Vollidiot-Sternchen-Innen ! :D
Statistischer Beobachter
Gast
Interessant ist, was passiert, wenn man sich die so gefundenen Seiten genauer ansieht: Auf den meisten stehen die entsprechenden Sätze nicht, weil sie sie als ihre Meinung verkünden, sondern weil sie sie als Beispiele frauenfeindlicher Sprüche bekämpfen.
Vgl. die Analyse:
http://georgjaehnig.wordpress.com/2013/10/20/when-anti-sexism-becomes-proof-for-sexism-un-women-campaign-with-googles-autocomplete/
Natürlich gibt es keinen noch so schwachsinnigen Satz, den nicht irgendwen irgendwann mal formuliert. Aber wie verbreitet ist er tatsächlich, wenn er hauptsächlich als argumentativ nutzbares Negativbeispiel verbreitet ist?
vulkansturm
Wirklich erschreckend was bei "Chinesen sind.." und bei "Afrikaner sind..."
herauskommt. Anscheinend sind nur Frauen schützenswerte Wesen für Google, Männer, Afrikaner und Chinesen sind jedoch zum Abschuss freigegeben und dürfen diffamiert und beleidigt werden.
DrZoidberg
Gast
wie soll google bitte verhindern, dass seine nutzer irgendjemaden diffamieren oder beleidigen? woher soll die autovervollständigung wissen, was beleidigend ist und was nicht? soll google im sinne der political correctness jede denkbare menschengruppe "schützen"? und falls ja, wovor eigentlich? meinungsfreiheit beinhaltet auch das recht, eine exzentrische meinung zu haben.
aus irgendwelchen gründen, vermutlich weil jemand geklagt und / oder sich beschwert hat, steht "frauen" in der google badword list für die autovervollständigung. "frau" übrigens nicht, probiers mal.
Benjamin Brink
Sehr geehrte Frau Stokowski,
Sie sind folgendem Irrtum aufgesessen: Google gibt exakt das wieder, was dort eingegeben wird. Wenn dort unsinnige Dinge eingegeben werden, kann Google auch nichts dafür. Ich würde glatt behaupten, dass der Versuch, solche unsinnigen Dinge zu unterdrücken, im Ansatz einer Zensur entspräche. Ich kann mir ehrlich nicht vorstellen, dass dies in Ihrem Sinn sein würde.
vic
Nicht anderes beschreibt die Autorin: "Sie spiegeln die scheußlichen Dinge wieder, die Menschen ins Internet schreiben"
Und manches "wiederzugeben" verbietet AGB und Nettiquette.
Zum Glück.
wtf
Gast
@vic Lieber Herr VIC, "Nettiquette" schreibt sich: 'Netiquette' und hat genausowenig mit 'nett' zu tun, wie ihr Pseudonym mit f*.
wtf
Gast
@vic Lieber Herr VIC, "Nettiquette" schreibt sich: 'Netiquette' und hat genausowenig mit 'nett' zu tun, wie ihr Pseudonym mit f*.
peter blöker
Gast
Zensur wäre es, wenn Google verheimlichen würde, was wieviel gesucht wird. Einen Algorithmus so anzupassen, dass er nicht bestimmte Vorschläge macht ist keine Zensur, es werden ledoglich intransparente Informationen(Vorschläge) an dieser Stelle nicht angezeigt. Diese Vorschläge wiederum beeinflussen das Suchverhalten direkt.
Ihre Anffassung von "Zensur" entspricht der Art, dass ein Supermarkt Zensur übt, wenn die meistgekauften Artikel nicht besonders hervorgehoben sind.