Kolumne Hier spricht Brasilien: Der Fußball, der Hahn und ich

Brasilien gewinnt auf jeden Fall die WM! Und wenn nicht, dann werden wir trauern. Doch es geht auf jeden Fall auch ohne Sieg weiter.

„Wir leben im Erfolg, wir lieben das“, sagt Maria de Lourdes Pereira da Silva. Bild: Martin Kaul

Ach, erzähl mir doch heute nichts von Protesten, Probleme haben doch alle und überall. Jetzt ist WM, den Rest klären wir später. Ich heiße Maria de Lourdes Pereira da Silva, aber hier kennen sie mich als „Vovó Tricolor“, die dreifarbige Oma. Mein Zweitname ist Party. Und das hier im Arm ist kein Huhn, sondern ein Hahn. Und was für einer.

Er heißt Paquito Fred Pereira da Silva, ist 11 Jahre alt und ich bin 72 und zusammen feiern wir gerade unsere dritte Weltmeisterschaft. Ist das nicht herrlich? Dieser Hahn ist ein Geschenk Gottes und ein Glücksbringer für mein Land. Er hat unserer Mannschaft immer schon Glück gebracht und wenn sie mal Pech hatte, dann war es nicht seine Schuld.

Mit einem Glücksbringer muss man gut umgehen. Ich habe ihm keinen Käfig, ich habe ihm eine Suite gebaut in meiner Wohnung im dritten Stock unseres Hauses. Das steht in Rios Stadtviertel Bonsucesso und das Viertel heißt so, weil wir dort alle immer nur Erfolg haben. Wir leben im Erfolg, wir lieben das.

An den Wochenenden flanieren Paquito und ich gemeinsam die Copacabana entlang, da gibt es eine tolle Aussicht, ich zeige den Leuten dort diesen wundervollen Hahn, diesen wichtigen Glücksbringer und er kann ein wenig im Sand picken, das ist für uns alle gut und auch schön.

Jedes Brasilien-Spiel schauen wir hier an diesem Ort, im Alzirão. Wenn Brasilien spielt, wenn der Ball rollt, dann gibt es für mich keinen schöneren Ort auf der Welt als diese Straße. Die Tausenden von Menschen, die Leidenschaft, das Fest. Ich möchte am liebsten für immer weiterfeiern und wenn ich etwas weiß, dann dass Brasilien diese Weltmeisterschaft gewinnt, und wenn nicht, dann wird eine große Trauer über das Land fallen, eine Trauer von unendlicher Tiefe. Aber dann werden wir aufstehen und weitergehen und uns wieder um unsere Probleme kümmern, denn davon haben wir ja genug.

Die Autorin ist 72 und schaut sich mit ihrem Hahn Paquito Fred Pereira da Silva, 11, jedes Brasilien-Spiel auf Rio de Janeiros Fanmeile Alzirão an.

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