Kolumne Habibitus: Deutsche, schafft Euch ab!

Kartoffeln würden lieber auf einen freien Tag verzichten, als Muslim_innen was zu gönnen. Warum machen sie das?

Kartoffeln auf schwarzem Hintergrund

Aber Kartoffeln sind nicht strategisch klug, sie sind ignorant Foto: ellmore / photocase

Vor sieben Jahren veröffentlichte Thilo Sarrazin seine rassistische Thesensammlung „Deutschland schafft sich ab“ und eröffnete damit eine steigende Hetzstimmung gegen Muslim_innen. Dass Sarrazin ein rechter Lauch ist, der gerne viel Scheiße labert, wenn der Tag lang genug ist, wissen wir bereits. Dass er mit seinem Buchtitel ein falsches Versprechen gegeben hat, auch, denn ich schaue es dem Fenster und sehe Deutschland immer noch.

Und die Deutschen bringen eine deutsche Aktion nach der anderen. Neulich warf Thomas Wir-sind-nicht-Burka de Maizière die Möglichkeit in den Raum, in bestimmten Bundesländern einen muslimischen Feiertag einzuführen. Dass diese Aussicht völlig unverbindlich ist? Egal. Die leere Symbolik dahinter? Geschenkt. Aber die dadurch ausgelöste Panik bei Kartoffeln? Unbezahlbar.

In Online-Umfragen darüber, ob es zusätzlich zu den bestehenden christlichen Feiertagen einen muslimischen für alle Leute geben sollte, stimmte die Mehrheit dagegen. Kartoffeln würden lieber auf einen freien Tag verzichten, als Muslim_innen einmal was zu gönnen. Warum machen sie so?

Der deutsche Hass auf Muslim_innen und die Paranoia vor einer – was auch immer das sein soll – Islamisierung der deutschen (wortwörtlich) Dreckskultur hält Kartoffeln davon ab, ein schöneres Leben zu führen. Lieber eine Schweinefleisch-Lobby gründen als halal-Fleisch in ihrer Kantine akzeptieren.

Engherzig, trotzig, bitter, kleinlich

Lieber Bremsspuren in der Unterhose und ein erhöhtes Risiko für Geschlechtskrankheiten verteidigen als ein islamisches Klo im Kölner Bürgerhaus zulassen. Lieber einen Tag mehr arbeiten als ein muslimischer Feiertag im Kalender.

Ihr anti-muslimischer Rassismus schadet Muslim_innen und Kanax, aber er geht auch auf ihren eigenen Nacken. Ihre Missgunst ist so riesig, dass sie sich das eigene Leben verderben. So engherzig, trotzig, bitter und kleinlich, das ist deutsche Kultur. Es fällt ihnen leichter, zu verlieren, als eine Win-Win-Situation zuzulassen.

In ihren liebsten griechischen Restaurants oder Döner-Buden modifizieren die Köch_innen ihre originalen Gewürzpaletten auf die deutschen Geschmäcker hin, damit es den Kartoffeln schmeckt. Aber wehe, jemand wagt es, deutsche Gewohnheiten und Traditionen in Frage zu stellen.

Wer strategisch klug vorgeht, nimmt alles Profitable mit, was geht – da spielt es keine Rolle, ob auch andere den Vorteil genießen, man ist halt auf sein eigenes Leben fokussiert und will das Beste rausholen.

Geschichtsverdrossen, besserwisserisch

Aber Kartoffeln sind nicht strategisch klug, sie sind ignorant, geschichtsverdrossen und besserwisserisch. Weder aus den Fehlern anderer, noch aus ihren eigenen können und wollen sie lernen. Würden AfD-Wähler_innen zuhören, wüssten sie, dass die AfD einen Großteil von ihnen unter den Bus schmeißen würde, wäre sie an der Macht.

Sarrazin hat auf 464 Seiten Verantwortliche für die Abschaffung Deutschlands gesucht, aber die größte Problemkindergruppe vergessen: die Deutschen selbst. Sie schaffen sich selber ab. Ich hoffe, sie beeilen sich.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.