Kolumne Dumme weiße Männer: Das Jahr des weißen Mannes
Vor Kurzem wurde der Niedergang des weißen Mannes vorausgesagt. 2015 zeigte aber, dass er noch immer für den größten Unfug verantwortlich ist.
E s ist noch gar nicht so lange her, da ging ein Raunen durch die Welt. Ist die Zeit des weißen Mannes vorbei? Würde nun alles besser werden? Anlass war die Wiederwahl des US-Präsidenten Barack Obama, dem ersten schwarzen Anführer der Freien Welt. Das war noch im Jahr 2012, die Zeit titelte damals mit einem Cowboy am Marterpfahl: „Das Ende des Weißen Mannes”. Spiegel Online fragte sich „Was nun, weißer Mann?” Ganz so als würden zwei verlorene Amtszeiten nach 55 unter weißer männlicher Herrschaft irgendetwas beweisen.
Aber gut, das Ende des weißen Mannes stand nun zuvor, eine Ära des menschlichen Glücks konnte nun endlich anbrechen. Schließlich sind die schlimmsten Dinge der Neuzeit die Erfindungen von Weißen Männern. Kolonialismus und Kapitalismus, Sklaverei und Apartheid, Massenvernichtungswaffen und Holocaust.
Und nun stehen wir da, vier Jahre sind fast vergangen, und 23 Menschen würden gerne Obamas Nachfolger werden, davon 19 weiße Männer. Rein statistisch dürfte die Freie Welt bald wieder von einem weißen Mann geführt werden, im schlimmsten Fall von einem dummen Rassisten, Donald Trump. Zum Glück sind US-Wahlen keine Frage der Statistik.
Aber eigentlich wissen wir schon jetzt, dass die Zeit des weißen Mannes nicht mit der US-Wahl 2012 beendet wurde. So ganz und gar nicht. Das zeigt allein das vergangene Jahr, in dem weiße Männer den größten Unfug der Welt veranstalteten und vorführen durften, dass sie inkompetent, korrupt oder einfach nur niederträchtig sind.
Nur damit kein falscher Eindruck aufkommt: Ich habe nichts gegen weiße Männer, einige meiner besten Freunde sind weiße Männer. Aber das wird man doch wohl noch sagen dürfen: Zwar sind nicht alle weißen Männer Massenmörder, aber die größten Massenmörder der Welt waren weiße Männer. Das gilt auch für Amokläufer, Päpste, Kindervergewaltiger, Steuerhinterzieher, Fußball-Funktionäre oder eben US-Präsidenten.
Und 2015?
Die übelsten Konzerne der Welt werden von weißen Männern geleitet. In ihren Vorständen muss man den Rest der Menschheit mit der Lupe suchen: Waffen, Öl, Gentechnik, Elektronik, Pharma, Autos, Medien, Lebensmittel, Einzelhandel – jede Industrie ist betroffen. Und auch im Kleinen sind weiße Männer Experten darin Sand im Getriebe des Fortschritts der Welt zu sein: Verschwörungstheoretiker, Klimawandelleugner, Männerrechtler, Onlinetrolle – alles überwiegend weiße Männer.
Und 2015? Ein weißer Mann sparte Griechenland kaputt. Ein weißer Mann entschied sich Syrien zu bombardieren, weil mehr tote Zivilisten irgendwas mit Frieden bedeutet. Ein weiterer weißer Mann bombardierte Syrien nachdem Belgier und Franzosen einen Terroranschlag verübten. In den USA liefen weiße Männer Amok und weiße Polizisten erschossen schwarze Unschuldige.
Weiße Männer ließen in Deutschland den Staat bei der Flüchtlingsversorgung versagen, weiße Männer hetzten gegen Geflüchtete und weiße Männer zündeten Flüchtlingsheime an. Ein weiße-Männer-Partei, in deren Führungsgremien kaum Frauen und keine Nicht-Weißen zu finden sind, feierte sich als Vielfaltspartei und belehrte Geflüchtete über Feminismus. Weiße Männer wurden beim Schummeln im Weltfußball überführt und des Schummelns bei Abgaswerten verdächtigt.
Nein, 2015 war das Jahr des weißen Mannes. So wie jedes Jahr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern