Kolumne Die Kriegsreporterin: Von Diabetes bis Harald Schmidt
Die Töchter Hohlmeier & Augstein und 50 Jahre „Spiegel“-Affäre, „Cicero“ mit Harald Schmidt und Julia Jäckel freut sich auf Gruner+Jahr.
H allo, taz-Medienredaktion! Manchmal muss man nur schauen, welche Veranstaltungen so bei den Verlagen stattfinden, und schon hat man einen prima Einblick in die Strategie der Häuser.
Während der Spiegel durch die Reanimation der Vergangenheit versucht, in der Gegenwart Sympathiepunkte einzuheimsen – 50 Jahre Spiegel-Affäre, Monika Hohlmeier und Franziska Augstein reden auf dem Podium über ihre verkorksten Väter (Franz Josef Strauß, Rudolf Augstein) und deren „Schlag mich, küss mich“-Beziehung, schickte Cicero, das Magazin für irgendwas mit Politik, Harald Schmidt ins Rampenlicht, auf dass er über „die Zukunft des Fernsehens“ spreche. „Harald Schmidt“ und „Zukunft des Fernsehens“ – das ist ein wahrlich hübsches Bonmot und zeigt, dass Cicero gar nicht so humorfrei ist, wie ich immer dachte.
Als Nächstes kommen die Geister der Lehman Brothers zum Thema „Zukunft der Banken“, das sie nach den Regeln der Eurythmie tänzerisch darstellen.
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Auf die Zukunft setzt auch das Haus Burda und erweitert seine Focus-Reihe. Die alternde und damit immer kränker werdende Gesellschaft im Blick, heißt das Trendthema dort „Krankheit“, weshalb man nun mit Focus Diabetes die Menschen beglückt. Damit man sich nicht für jedes Magazin irgend so einen lebensbejahende Spruch ausdenken muss, hat der Chefredakteur „Genuss steht ganz oben“ als Losung ausgegeben. Den kann man auch gut verwenden, wenn Focus Rheuma auf den Markt kommt. Oder Focus Prostata.
Und weil viele Journalisten gar nicht warten müssen, bis sie alt sind, sondern die Erkrankung schon mittendrin einsetzt, bietet Ver.dis Journalistenabteilung in Hamburg jetzt ein „Gesundheitscoaching für Solo-Selbstständige“ an. Das sind diejenigen, die aufgrund der beschissenen Arbeitsbedingungen im Journalismus ihre Gesundheit riskieren, um auf das Geld zu kommen, das sie brauchen. Wobei wir von durchschnittlich rund 2.100 Euro brutto reden. Was einen hübschen Rückschluss auf die Honorare zulässt, die gezahlt werden.
Sehr einig waren sich Medienvertreter letzte Woche angesichts des Auftritts von Jenny Elver-Elbertzhagen, die bestens gelaunt, aber völlig zugedröhnt in einer NDR-Sendung auftrat. Zwar war schnell von „Alkoholproblemen“ die Rede, lustigerweise war die sprachliche Einigung aber, dass es „ihr nicht gut ging“. Sehr laut wurden dem NDR gegenüber Vorwürfe formuliert, denn man hätte sehen können, dass es Frau E-E „nicht gut ging“. Hallo, Leute?! Der Dame ging es prächtig! Die war bombig drauf! Natürlich ist es schlimm, wenn jemand ein Suchtproblem hat. Aber um das Ganze herumzureden wie die katholische Kirche um den Samenerguss bei Marias Empfängnis wird weder Jenny Elvers-Elbertzhagen noch einer gediegenen Dröhnung gerecht.
Sehr aufgeräumt wirkt hingegen die neue Spitzenfrau bei Gruner+Jahr, Julia Jäkel, die, wie sie auf der Verabschiedung von G+J-Vorstand Bernd Buchholz gesagt haben soll, bei einem zurückliegenden Anlass „Pipi in den Augen hatte“. Da ich nicht aus dem Rheinland komme, kannte ich Pipi bisher nur von unten, bin aber bereit, die Richtung zu ändern, wenn ich höre, dass Buchholz 5 Millionen Euro Abfindung erhält und ich daran denke, dass G+J vor allem Fotografen-Honorare auf ein Niveau gedrückt hat, auf dem kaum ein professionelles Arbeiten möglich ist.
Davon, dass seine Coporate-Publishing-Sparte das allgemeine Honorar-Niveau für PR-Schreibe nach dem Motto „200 Euro sind genug“ ruiniert hat, ganz zu schweigen. Mit entsprechend Pipi in den Augen und einem Eimer Scheiße im Anschlag zurück nach Berlin!
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