Kolumne Die Kriegsreporterin: Ende der Mad-Men-Redaktionskultur
Die „Abendzeitung“ ist insolvent, Gaede hat noch Eier und ausgerechnet die Chefredakteurin der „Brigitte“ spricht am Frauentag im Hamburger Rathaus.
H allo, taz-Medienredaktion!
Klaus Brinkbäumer, einer derer beim Spiegel, die sehr hübsch schreiben können und der deshalb als stellvertretender Chefredakteur wie eine Perle, die keiner in eine Brosche einarbeitet, nicht glänzen kann, hat aufgeschrieben, warum die Münchner Abendzeitung Insolvenz anmelden musste: Gratis-Kultur, Knebelverträge mit Dienstleistern, Personalabbau – das Übliche.
Wer wissen will, warum neben so vielen anderen Zeitungen nun auch noch die AZ nicht mehr genügend Leser findet, braucht nur den ersten Absatz lesen. Er beschreibt eine Zeit, in der Charaktere in den Redaktionen den Ton angaben und die Erfüllungsgehilfen zum Erfüllen da waren – nicht dazu, den Ton anzugeben oder den Charakter des Mediums zu bestimmen. Der Absatz beginnt mit einem Schlüsselwurf des Ressortleiters und endet mit der Zurechtweisung von Uli Hoeneß. Zugegeben, es ist eine Mad-Men-Ausgabe von Redaktionsalltag. Aber warum ist die Fernsehserie „Mad Men“ so erfolgreich? Doch nicht, weil man angepassten, überausgebildeten Luschen ohne Eier in der Hose bei der Arbeit zuguckt.
Einer der letzten Eier-Vertreter, den Gruner + Jahr sich noch geleistet hat, ist unter der Fürsorge des Konzerns bestens gealtert und hat nun ein Stadium erreicht, in dem er sich neu orientieren soll. Bevor Peter-Matthias Gaede zu „Opa Geo“ wird, verabschiedet er sich mit dann 63 Jahren und nach 31 Dienstjahren im Sommer von Gruners grüner Marke. Und so sehr das einigen gefallen wird, so sehr muss man beachten, was da passiert: Wahrscheinlich wird es bald keinen Journalisten mehr geben, der in einem Medienkonzern so ein biblisches Alter erreicht.
Warum der Fortgang eines solchen Mannes, nicht nur im Zusammenhang mit einer Mad-Men-Redaktionskultur von Weib, Wein und Gesang, ein Verlust ist, zeigt das Interview, das der Branchendienst Meedia vergangene Woche mit Gaede veröffentlichte. Darin sagt er, befragt zu seiner Selbstwahrnehmung, er sei kein „Grottenolm“. GROTTENOLM! Das muss ein Mann erst mal zur Verfügung haben! Wo, so frage ich, Medienredaktion, sind in dieser sich so schnell wandelnden Zeit die Männer, die noch den Grottenolm kennen!? Die Kondensmilch? Die Herrenschokolade? Der journalistische Nachwuchs kennt Urban Gardening und Fisting. Aber einen Grottenolm?! Für so ein Wort muss heute selbst ein Geo-Redakteur ganz schön weit reisen.
Gar nicht weit reisen, sondern nur zwei Stationen mit der U-Bahn musste die Chefredakteurin der Brigitte, Brigitte Huber, vergangene Woche fahren. Ausgerechnet sie war eingeladen, beim Senatsempfang der Stadt Hamburg anlässlich des Frauentages zu sprechen. Ja, da geben Frauen alle vierzehn Tage 2,80 Euro aus, um zwischen einer bunten Welt aus Work-Life-Balance-Anleitungen, Rezepten und Schlanksein hin- und hergeschleudert zu werden und zu versuchen, irgendwie so toll zu sein, wie die Frauen in der Brigitte es sind, wohl weil sie alle die richtigen Produkte kaufen, vor allem aber nix mit Politik am Hut haben – und die Heftmacherin spricht im Rathaus. Ist eigentlich ganz naheliegend für so einen Senatsempfang. Warum auf Wahrhaftigkeit setzen, wenn man der Lügen-Wirtschaft eine Plattform geben kann?
Auch eine Plattform hat die Hamburger Sparkassenwirtschaft mit ihrem Haspa Magazin. Als „Top Thema“ wird dort Folgendes angeboten: „Staat unterstützt Teppichschoner“. Da bleibt nur noch die Frage, wer den Artikel zu der schönen Headline schreibt. Ich weiß es: Bernd Hausherr. Zufrieden über so viel Ein- und Wohlklang zurück nach Berlin!
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