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Kolumne BlickeDie Arschitekten

Ambros Waibel
Kolumne
von Ambros Waibel

Badezimmerfenster, Laminat und ein windelweicher Berufsstand.

N eulich stand ich mal wieder unter der Dusche. Und dachte an jenes bezaubernde Wesen, das mir gesagt hatte, wie schön es sei, unter der Dusche zu stehen und dabei in den Himmel blicken zu können.

Ja. Hatte ich gesagt. Schon.

Und gedacht hatte ich, wie viel schöner ich es fand, jenes Wesen in meiner Dusche sehen zu können. Und so.

Bild: Alexander Janetzko

ist tazzwei- und Meinungsredakteur der taz.

Seit ich aus der heimischen 50er-Jahre-Wohnbox ausgezogen bin, habe ich immer ein Bad mit Fenster gehabt. Es bot nicht in jeder Wohnung einen Sternenblick, ich erinnere Brandwände und die Perspektive in das Bad einer Lesben-WG, deren Bewohnerinnen sich am offenen Fenster ganz nonchalant trockenfrottierten – eine Hauptattraktion für Freunde aus katholisch-geschlechtergetrennten Gegenden, die mich in meiner links-lutherischen, hessischen Uni-Stadt besuchten.

Aber die ernste Frage ist ja die: Warum haben – hessisch gesprochen – Arschitekte’ seit dem Krieg nie aufgehört, Badezimmer ohne Fenster zu entwerfen? Welches Zimmer einer Wohnung hätte ein Fenster nötiger? Wo wäre es schöner? Und warum ist das Badezimmerfenster ein Luxus, zumindest in all jenen Städten, deren Gründerzeitbauten längst von Zahnärzten (und Architekten) in Beschlag genommen sind? Die klassischen Antworten lauten: Architekten sind entweder dumm oder dreist oder feige. Oder alles zusammen.

Wenn ich über dieses Thema mit Architekten spreche, heißt es immer: das Geld. Der Bauherr. Ich sage dann immer, aha, Architekten sind Leute, die ein ehrliches Handwerk lernen, um es zu verraten. Von dem Geld, das ihnen der Verrat einbringt, nehmen sie sich dann eine Altbauwohnung mit Badezimmerfenster.

Architekten sind coole Leute. Die hauen einem keine aufs Maul, wenn man sie als verantwortungslose Karrieristen outet. Architekten verziehen nur leicht gequält das Gesicht, wenn man ihnen ihre Mitläufermentalität mitgibt. Architekten blicken ins Leere, wenn man etwas ganz Offensichtliches feststellt: dass jemand, der ein Bad ohne Fenster entwirft, ein Zyniker ist. Und Zyniker können Türsteher werden, DJs oder Investmentbanker – aber sie sollten nicht über die Behausung des Menschengeschlechts entscheiden können.

Wenn Architekten also reine Erfüllungsgehilfen von Investoren sind, dann kann es einem angesichts der bevorstehenden massenweisen energetischen Sanierung nur angst und bange werden. Denn mit ihr bekommt ein windelweicher Berufsstand nun auch noch die moralische Rechtfertigung geliefert für jede nur denkbare Scheußlichkeit und Dummheit. Wie wäre es denn erst mal mit Mietwohnungen, in denen man nicht jedes Körpergeräusch der Nachbarn hört? Zu teuer. Wie wäre es mit hohen Decken, die auch das Herz und den Verstand erheben? Geht nicht. Und der größte aller Schrecken, das Laminat? Wollte der Bauherr drinhaben.

Und wie so oft, wenn man älter wird, denkt man sich am Schluss: die einzige Möglichkeit, in dieser Gesellschaft wenigstens anständig zu wohnen, ist: reich werden. Und sich einen Architekten halten.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

9 Kommentare

 / 
  • Q
    QWerner

    es gibt gute Architekten und schlechte,

    genau so wie gute Autoren und schlechte.

    Der Autor dieses Artikels gehört zu den schlechten.

  • F
    fhaas

    Sehr geehrter Herr Waibel,

     

    vielen Dank für Ihren Beitrag über Architekten.

    Um Ihrem Beitrag zukünftig noch mehr Tiefgang zu ermöglichen, möchte ich Ihnen dieses Versgut, aus der ehemaligen "DDR", nicht vorenthalten:

     

     

    "1. Ach was wird meine Mutter sagen,

    wenn ich einst kehr zurück,

    Und wenn ich einen Vollbart habe,

    mein Sohn, was bist jetzt du?

    Ich bin Polier, fideri, fidera,

    sauf nur noch Bier, fideri, fidera,

    Ich bin Polier, sauf nur noch Bier

    2. Ach was wird meine Mutter sagen,

    wenn ich eins kehr zurück,

    und wenn ich einen Spitzbart habe.

    mein Sohn, was bist jetzt du?

    Bin Ingenieur, fideri, fidera,

    trink zur Likör, fideri, fidera,

    Bin Ingenieur, trink nur Likör

    3. Ach was wird meine Mutter sagen

    wenn ich einst kehr zurück,

    und wenn ich einen Schnurrbart habe

    Mein Sohn, was bist jetzt du?

    Bin Architekt, fideri, fidera,

    sauf nur noch Sekt, fideri, fidera,

    Bin Architekt, sauf nur noch Sekt."

     

    Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns in Zukunft, gelinde gesagt mit so einer gequirlten Autorenscheiße, verschonen würden.

    fhaas

  • I
    ion

    "Aber die ernste Frage ist ja die: Warum haben – hessisch gesprochen – Arschitekte’ seit dem Krieg nie aufgehört, Badezimmer ohne Fenster zu entwerfen?";

    .... weil die (Fenster) zu 99% kein-e 'Bellevue' böten!

    Seit Jahrzehnten kreieren "Arschitekte’" (fast) exklusiv Wohnklos, erst jetzt bemerkt?

     

    @ Knallgas (07.06.2012 11:04),

    das: "Die werden dann vom Bauherr entweder abgesegnet oder wie meistens zusammengestrichen.", dürfte die Folge der Unfähigkeit uninspirierter Brötchenverdiener-Architekten sein, ihre – wenn sie denn mal eine haben – 'kreativen' Entwürfe an den Mann zu bringen (, ggf. entnervende Überzeugungs-/Lebenshilfe-arbeit leisten zu müssen, wird nicht honoriert).

     

    @ keinfenster (07.06.2012 10:48),

    erscheint mir 'irgendwie' unlogisch, was Sie da schreiben, zumal insbesondere 'Nasszellen' der gründlichen ('Stoß'-)Belüftung(-smöglichkeit) bedürfen;

    aber die Perspektive, künftig die Toilette zum zentralen Platz einer Wohnung(-sarchitektur) zu deklarieren, finde ich – in Anbetracht dessen, wie die Deutschen offenbar gerne hausen – angemessen.

  • J
    j.e.s

    @Henry:

    "feedbacken"... Wow. Klingt wie Fettbacken oder Arschbacken. Was für eine geniale sprachliche Neuentwicklung.

    zum Thema: im Einfamilienhaus ist das Tageslichtbad problemlos machbar, das Haus hat ja auch 4 Außenwände. Beim verdichteten Bauen hat man aber evtl. nur 2 oder 3 Außenwände, und bei entsprechender Gebäudetiefe muss man zwangsläufig Räume nach innen packen. Also: Bad ohne Fenster oder vielleicht doch das Wohnzimmer?

    Ich habe übrigens mal in so einem Altbau mit Fenster im Bad gewohnt. Das Fenster ging zum "Innenhof", na eigentlich war der Innenhof 1x1 m groß, also ein muffiger Entlüftungsschacht...

  • S
    Sukram

    Wie wär's, wenn Journalisten zunächst einmal lernen, den (deutschen) Satzbau zu beherrschen?

     

    "ich erinnere Brandwände und die Perspektive..."

     

    Grauenhaft; schreiben Sie doch gleich auf Englisch :-

    (

     

    Für 1/2h täglich brauch' ich nicht zwingend ein Fenster im wärmsten Raum des Hauses; wer nicht ohne auskommt, dem empfehle ich Flachbildschirm & Außenkamera.

     

    Energiesparen geht nicht ohne Selbstbeschränkung.

  • A
    Arschitekt

    Hallo leidende Welt. Ich bin Arschitekt, obwohl ich nicht aus Hessen stamme. Ich habe noch nie ein Bad oder eine Küche ohne Fenster geplant. Dies scheint mir aber auch nicht das wirkliche Problem des Architektenberufs zu sein. Hier geht es heute nicht mehr um gute Architektur, sondern um den Preis des Quadratmeters. Ich kann selber nicht fassen, dass ich mich zum größten Teil mit wirtschaftlichen Aspekten des Bauens auseinanderstzen muß. Bei einer Entscheidung, wie Laminat o. Holzpflaster, entscheidet meistens das Geld. Auch lange Überzeugungsarbeit hilft oft nicht weiter. Nicht selten hat man es von Beginn an mit Projektentwicklern oder anderen Theoretikern zu tun. Begriffe wie Ästhetik o. Wertigkeit sind ihnen meist fremd.

     

    Übrigens wohne ich nicht in einer Altbauwohnung mit Fenster im Bad. Dazu reicht mein Geld nicht. Ich schätze nicht, dass ich mehr verdiene als ein durchschnittlicher Taz-Autor.

     

    Einen Rat an den Autor: Man muß nicht in Wohnungen einziehen, die einem an wesentlichen Stellen nicht gefallen - funktioniert gut!

  • H
    Henry

    Schöner Artikel. Vielen Dank. Vieleicht wird jetzt ja die ein oder andere Vernunftentscheidung mehr durchgesetzt.

     

    Aber hier noch mal ne sicherlich überflüssige Nörgelei:

     

    "aber sie (die Architekt_innen) sollten nicht über die Behausung des Menschengeschlechts entscheiden können"

     

    Tun sie ja auch nicht. Wir alle entscheiden uns mehrheitlich z.B. bei Wahlen oder beim Einkaufen immer wieder für die Verteilung von unten nach oben. Wir 99% Deutschlands haben überhaupt noch glück, nen Bad zu kriegen, glaube ich. Das liegt, denke ich, weniger an unserem Fleiß oder unseren kaltherzigen Regierungen, sondern daran, daß die meisten von uns Deutschen Komplizen der 1% sind, die so ziemlich alle anderen Länder ausbeuten. Ich hoffe nur, es fällt auch in Zukunft immer mal ein Krümel von oben (z.B. nen eigenes Bad, ob mit oder ohne Fenster) bis zu mir durch.

     

    Kann mir mal jemand feedbacken ob ich mich mit solcherlei Posts lächerlich mache? Thx

  • K
    Knallgas

    Hallo

     

    Wer zahlt hat recht - und recht hat immer der Bauherr.

    Den Architekten ist lediglich vorzuwerfen, dass sie versuchen in Ihrem erlernten Beruf Geld zu verdienen.

    Dazu gehört heutzutage vor allem, den Bauherren jeden noch so qualitätsfernen Mist zu planen.

    Wer das nicht will darf Hartzen oder Taxifahren und nebenher Archtekturheftchen lesen.

    Und dann gibt es da noch die paar Stars, die die gesamte Wahrnehmung des Berufstandes verfälschen.

    Deren Erfolg und Medienpräsenz suggeriert, "der Architekt" hätte auf dem Weg zum fertigen Gebäude was zu melden.

    Hat er auch - indem er Vorschläge unterbreiten darf. Die werden dann vom Bauherr entweder abgesegnet oder wie meistens zusammengestrichen.

    Denn - wer zahlt hat recht. Und wer zahlt muss nicht auch noch die Verantwortung für den Bockmist übernehmen, der dann die nächsten 50 Jahre in der Landschaft steht. Das war ja "der Architekt".

     

    Grüsse

  • K
    keinfenster

    Dass Badezimmer (und zunehmend auch Küchen) heute häufig kein Fenster mehr haben, sondern im dunklen Innern einer Wohnung liegen, senkt den Energieverbrauch. Um weniger Wärme zu verlieren, versucht man, nur den Zimmern Anteil an der Aussenwand zu geben, die das unbedingt nötig haben.