Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Der liebe Gott trägt Vollbart
Die neue Männlichkeit kommt struppig und haarig daher. Ein Bart im Gesicht ist der neue Modetrend in Tunis. Doch einen Vollbart sollte mann möglichst vermeiden.
N eulich in Tunis. Beim Betreten des Stadtcafés in einem modernen Mittelschichtsviertel schreckt Monika zurück. „Voller Salafisten“, behauptet sie.
Und in der Tat sitzen und stehen überall bärtige, ja vollbärtige Männer herum. Amira beruhigt uns: „Das sind keine Salafisten. Das ist die neue Männlichkeit.“
Lumbersexuell (lumber engl. für Holzfäller) heiße dieser Trend, der bis vor kurzem glatt rasierte und manikürte Männer in robuste, hartgesottene Kerle verwandelt. Vollbart, Karohemd und stabiles Schuhwerk gehören dazu. Auch in Tunis.
„Salafisten, die unser Land in eine Kalifat verwandeln wollen, fehlt im Gegensatz zu diesen männlichen Trendsettern der Oberlippenbart. Ihr Vollbart umrahmt nur das Gesicht, niemals die Lippen“, weiß Amira , die in Paris Modedesign studiert, es also wissen muss.
Beruhigt lassen wir uns auf den bunten Sitzkissen des Cafés nieder. Und betrachten wohlwollend die Männer, die uns nun nicht mehr wie wild gewordene Salafisten vorkommen. Nein, sie sehen vielmehr nach verschärfter Selbstfindung aus, nach einem unangepassten, kühnen Abenteurerleben.
Die neue Männlichkeit kommt struppig und widerborstig daher. Allerdings: Männer mit dünnem, ungleichmäßigen Bartwuchs entwickeln offensichtlich nicht wirklich einen beeindruckenden Vollbart. Auf jeden Fall sei den Männern empfohlen niemals auf den Oberlippenbart zu verzichten. Die Verwechslung könnte fatal sein, nicht nur im Salafisten geplagten Tunis.
Ob der neue Trend tatsächlich das Tier im Mann weckt? Beim Salafisten genauso wie beim modischen Trendsetter? Es sei dahingestellt. Hauptsache ist doch, dass Männer wieder zu ihrem Ursprung zurückgefunden haben. In meiner Phantasie sind sie jetzt jedenfalls wieder gottähnlicher geworden. Denn dieser trägt zwangsläufig einen schönen Vollbart.
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