: Kolonial-Parabel
■ Die Handspring Puppet Company gastiert mit Faustus in Africa im Schauspielhaus
Vier Jahre ist es jetzt her, daß die Handspring Puppet Company über ihre Gastspiel beim Theater der Welt in München den europäischen Kontinent eroberte. Ihre Adaption von Woyzeck, deren neuer Titel Woyzeck in the Highveld schon ausdrückte, daß der arme Soldat hier in einer neuen Umgebung mit neuen Problemen konfrontiert wurde, beeindruckte durch die ungewöhnliche Technik und die intensiven Bilder. Die südafrikanische Truppe um den weißen Künstler William Kentridge verschränkte Puppenspiel, Animationsfilme und Schauspieler zu einer wirklich einzigartigen, düsteren Ghetto-Version von Büchners Drama.
Nun hat die Gruppe ihr zweites Stück in derselben Technik entwickelt und es ist durchaus bezeichnend, daß Faustus in Africa nicht etwa in Südafrika uraufgeführt wurde, sondern in Weimar. Mit nur einem Stück ist Kentridges Theaterkonzept zu einer großen Nummer im internationalen Theaterzirkus gereift. Die lyrische bis liebevoll-naive Art der Darstellung verbindet sich mit expliziten politischen Fragen, was im zweiten Stück noch viel deutlicher wird. Denn Faustus in Africa nimmt den Goetheschen Text mehr strukturell, um darauf die Kolonialgeschichte des schwarzen Kontinents zu erzählen.
Faust und sein Schüler Wagner (hier: Johnston) bilden das Unterdrückertandem aus weißem Kolonialisten und schwarzem Diktator, wobei Faust den ersten, Johnston den zweiten Teil dominiert. Politische Dialoge, Bilder von Zerstörung und Symbole des Grauens wie abgetrennte Arme oder der Moskito als Todbringer verwachsen in den Spielszenen und Filmeinspielungen zu einem Requiem der Menschlichkeit im Imperialismus. Am Schluß läßt der schwarze Diktator alle Verbrecher frei, kappt die Telefonleitung zu Gott und teilt die Karten aus für ein Pokerspiel um Land und Leute. Deprimierend, aber trotzdem wunderschön.
Till Briegleb
Freitag/Sonnabend, 20 Uhr, Schau-spielhaus
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