■ Kommentar: Kohls feudale Geste
Die Stadt und alle Architekturfreaks könnten sich glücklich schätzen: Ein Gebäude von Ioeh Ming Pei zwischen den steinernen Bulettenburgen oder simplen Glasriegeln, die in den letzten Jahren aus dem Boden schossen, täte Berlin sichtlich gut. Wer die schnittige Pyramidenhalle im Hof des Louvre gesehen und deren Funktionalität erfahren hat, wird wenig gegen einen Erweiterungsbau für das Deutsche Historische Museum (DHM) von Pei einwenden. Im Gegenteil. Der amerikanische Architekt versteht sein Handwerk. Und mehr noch. Im Unterschied zum recht einfältigen Entwurf zur Rekonstruktion des Neuen Museums auf der Museumsinsel ist die Geschichte für den Baumeister kein unüberwindliches Paradigma.
Doch mit der Trumpfkarte Pei haben Bundeskanzler Kohl und sein Intimus, DHM-Direktor Stölzl, bereits ein drittes Mal falschgespielt: Mit absolutistischem Fingerzeig hatte einst der Kanzler den Standort für das DHM im Spreebogen festgelegt. In ebenso herrischer Weise und zugleich künstlerischer Elefantenmanier beschloß Kohl, die Neue Wache mit der Kollwitzschen Pietà zum Ehrenmahl aufzublasen. Und auch der Vorschlag Pei geht auf die Kappe des Kanzlers.
Falschgespielt haben die DHM-Bauherren aber nicht, nur weil sie einen großen Architekten gerne mögen. Mißlich ist die Achse Kohl-Pei-Stölzl, weil ein großes Museumsbauwerk mit feudaler Geste auf den Weg gebracht werden soll. Weder dürfen die, welche etwas vom Fach verstehen, darüber befinden, noch jene, die das Ding schließlich bezahlen. Auch das Argument, ein Wettbewerb bringe nichts, greift nicht, geht es doch um den Ausschluß der Öffentlichkeit und die Herabsetzung des Diskurses. Außerdem bietet das Wettbewerbswesen sogenannte „diskursive Verfahren“, in denen ein Pei ja mitmachen kann. Jetzt bleibt nur das Prinzip Hoffnung. Rolf Lautenschläger
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