sydney-syndrom: Kohlrouladen und Klopse
Bei diesen Olympischen Spielen Spaß zu haben fällt offensichtlich nicht schwer. Bei allen Übertragungen zeigt sich vor allem eines: ein fachkundiges, begeisterungsfähiges und faires Publikum. Die Sydneysider zelebrieren Olympia ohne jedes falsche Pathos, unterstützen zwar ihre Landsleute, aber feiern auch jede andere gute oder gut gemeinte Leistung. Olympia mit dem Feel-good-Faktor.
Bei all der Freude fällt dann natürlich das miesepetrige Auftreten der deutschen TV-Präsentatoren auf: Mit versteinerter Miene und schmalen Lippen wird verkündet, dass schon wieder nichts aus dem Olympiasieg eines deutschen Athleten geworden ist. Schlimme Sache, ohne Frage, aber irgendwann muss sich irgendjemand diese Menschen zur Brust genommen haben. So toll ist es eben nicht, wenn die ganze Welt Olympia feiert und nur die Deutschen sich als freudlose Erbsenzähler gerieren. So gab man flugs das „Motto Spaß“ aus. Und so kam Ludwig Everts zum Beach-Volleyball. Bei der ARD hat man schnell gemerkt, dass der dröge Sport-Primaner Claus Lufen nicht der richtige Mann ist, um diese Fun-Sportart zu kommentieren: Regionalmeisterschaften im Skat oder Boule wären bei ihm besser aufgehoben. Also kam Everts zum Zuge – leider. Denn die Begeisterung für Beach-Volleyball konnte auch er nicht transportieren, dafür wusste er andere Dinge. Zum Beispiel, dass Jörg Ahmann am liebsten die Kohlrouladen seiner Großmutter verzehrt, während sein Partner Axel Hager eher Königsberger Klopse bevorzugt. Aber diese kulinarischen Enthüllungen waren nicht die einzigen. Über einen der portugiesischen Gegner von Ahmann/Hager wusste Everts zu berichten, dass dieser vier Sprachen spricht: „Leider nützt ihm das hier nichts.“ Und so ging es weiter und weiter. Was lernt der Couchpotatoe morgens um 4.00 Uhr: Spaß und Begeisterung transportieren sich nicht qua Dauerquasseln. Nur Blech für Everts. THORSTEN PILZ
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