Kohlendioxidlagerung: Überirdischer Widerstand
In der Nähe der dänischen Grenze soll unterirdisch Kohlendioxid eingelagert werden. Doch die Bevölkerung wehrt sich erfolgreich. Ein Besuch beim Stammtisch der Bürgerinitiative.
Auf der Straße vor "Bussmanns Gaststätte" im Dorf Wallsbüll nahe der dänischen Grenze drängen sich die Autos. An vielen hängen Fähnchen mit einem stilisierten Kopf unter einer Gasmaske, schwarz auf gelbem Grund. Drinnen im großen Saal des Dorfgasthofes, unter Diskokugel und Lampen, die mit Messinglaub bekränzt sind, reihen sich die Besucher an langen Tischen. 150, vielleicht 200 Leute sind erschienen: ältere, jüngere, Menschen aus den Dörfern ringsum. Normalerweise versammeln sie sich hier zum Feuerwehr- oder Dorffest. Heute sind sie da, um Neues zu erfahren und um zu protestieren. Es ist Mittwoch, Stammtisch-Abend der Bürgerinitiative (BI) gegen das CO2-Endlager.
Im Norden Schleswig-Holsteins soll CO2 gelagert werden - unterirdisch. CCS, Carbon Capture and Storage, heißt die Technologie, die einige Forscher als Gegengift zur Klimaerwärmung einsetzen wollen: Statt den Klimakiller CO2 aus Kohlekraftwerken in die Luft zu blasen, soll es unter der Erde verschwinden. Klingt gut - für die, deren Häuser nicht auf der Gasblase hocken.
"Ohne einen Blankoscheck auszustellen, könnte CCS eine Perspektive bieten", sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) noch im Mai bei der Beratung über ein Gesetz, das die Erprobung der Technik erlauben sollte. Kurz darauf formierte sich der Widerstand im Norden, angefeuert von der Regionalpartei SSW, dann stiegen die anderen ein, die Grünen, die SPD und am Ende auch CDU und FDP. Der Norden dürfe nicht das "CO2-Klo" Deutschlands werden - inzwischen nimmt jede Partei für sich in Anspruch, ganz dicht dran zu sein am Widerstand.
Eine CO2-freie Stromversorgung ist durch die CCS-Technik nicht möglich - aber eine Studie des Wuppertaler Instituts für Klima, Energie, Umwelt im Auftrag des Bundesumweltministeriums geht immerhin von einer Reduktion des Gases von über 70 Prozent aus.
Je nach Verfahren sind sogar 90 Prozent Kohlendioxid-Reduktion denkbar. Daher könnte CCS "auf globaler Ebene einen spürbaren Beitrag zur Einhaltung der Klimaschutzziele leisten", heißt es dort.
Aber die Forscher machen auch keinen Hehl aus den Risiken: Laut der Studie sind "Fragen offen", vor allem bei der Speicherung.
Transportiert werden müsste das Kohlendioxid per Schiff oder in einer Pipeline. Eine solche sollte von einer Versuchsanlage des Betreibers RWE in Hürth bei Köln nach Schleswig-Holstein führen.
Aber dass die Beratungen über das CCS-Gesetz kurz vor der Sommerpause im Bundestag von der Tagesordnung gekippt wurden, lag nur mittelbar an den Parteien: Der Grund war der massive Widerstand der Betroffenen. Gegen den Willen der Bevölkerung sei es nicht zu machen, erklärte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), der erst überlegt hatte, gegen einen finanziellen Ausgleich die Lagerung doch zuzulassen.
Die Landkreise Schleswig-Flensburg und Nordfriesland nahe der dänischen Grenze sind bäuerlich geprägt, konservativ, CDU-Land: Bei der Landtagswahl 2005 erhielt die CDU hier rund 45 Prozent, die Grünen - die mit ihrem Landesvorsitzenden Robert Habeck antraten - 3,8 Prozent. Heute rufen die Leute im Saal dem Mann vom Wasserverband zu, er solle die Turbinen im Wasserwerk mit Öko-Strom betreiben, auch wenn die Preise steigen.
Eindeutig: Das Vertrauen, dass "die da oben" in Kiel und Berlin alles schon richtig entscheiden werden, ist geschrumpft. "Demokratie macht nur Spaß, wenn man selber mit bei ist!", lautet der Slogan, den mehrere Aktivisten auf ihren gelben Shirts tragen. Im Wendland, rund um Gorleben, mag es so ähnlich angefangen haben.
Birte Matthiesen, eine der Mitbegründerinnen der BI, moderiert den Abend - mal spinnt ein Mikro, mal sind die Redner nicht zu verstehen. Macht nichts, die Stimmung ist kämpferisch, die Redelust groß. Der Plan des Geologen Andreas Dahmke von der Kieler Universität, im Amt Eggebek einen CO2-Speicher-Versuch zu machen, erregt die Gemüter - inzwischen hat der Forscher zurückgezogen. Dahmke wollte Risiken für das Grundwasser erforschen - nun überlegt er, einen Standort im Ausland zu suchen.
Der Kampf um die CCS-Technik ist ein Streit der Fachleute, also musste die Bürgerinitiative in kurzer Zeit fachkundig werden. Ein Mann im Karohemd weiß die Nummern der Bundestagsdrucksachen auswendig, die den Fall betreffen. Ein alter Mann tritt ans Mikro, redet lange, umständlich: "Meine Frage an Ihnen", sagt er mehrmals, aber er weiß, wovon er redet.
Und die Initiative holt sich Beistand: An diesem Mittwoch sind es Leute vom örtlichen Wasserverband, die über mögliche Gefahren für das Trinkwasser sprechen, wenn sich das CO2 im Untergrund bewegt. Karl-Otto Meyer, der große alte Mann des SSW, sitzt vorn im Raum. Wolfgang Wodarg, der Flensburger SPD-Bundestagsabgeordnete, ist da und sagt, warum es wichtig sei, in einer Volkspartei Öko-Politik zu machen. Die SPD hat ein Problem mit CCS: Die Kumpels im Ruhrgebiet wollen weiter Kohle fördern. Und die Kumpels sind mehr als die Protestler im Norden. "Aber wir haben gewonnen", sagt Wodarg stolz. Im Wahlprogramm der Bundes-SPD steht zwar ein Ja zur Abscheidung von Kohlendioxid, aber "die Wiederverwendung soll Vorrang vor der Endlagerung haben".
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer, Stargast des Abends, wird deutlicher: CO2-Speicherung komme "dem Problem des Atommülls gleich", die Technik sei nicht sicher, sagt der Träger des Alternativen Nobelpreises für seinen Einsatz für Solartechnik. Er nennt die Energieversorger Eon, RWE, Vattenfall die "Besatzungsmächte", verweist auf die Beispiele, in denen angeblich sichere Technik gnadenlos versagte - Asse ist eines davon. So sitzt, nicht zum ersten Mal in diesem Sommer, die große Politik im engen Saal bei "Bussmanns". In der kommenden Woche wollen Aktivisten nach Neumünster fahren - die Bundeskanzlerin ist da.
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