: Kohl schreibt einen Brief
■ EG will Moskauer Reformprozeß unterstützen / Sanktionen gegen Südafrika BRD verbindet Nato-Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands mit Kreditfrage
Dublin (ap/dpa/taz) - Die Europäische Gemeinschaft will den Reformprozeß in der Sowjetunion grundsätzlich auch materiell unterstützen; auf eine Soforthilfe konnte sich der EG-Gipfel am Dienstag in Dublin nicht einigen. Besonders London und Kopenhagen wandten sich mit Nachdruck gegen den Vorschlag aus Bonn und Paris, Moskau ohne Verzug einen 15-Milliarden -Dollar-Kredit zu gewähren, bevor sichergestellt ist, daß ein solches Darlehen auch wirksam eingesetzt werden kann. Die EG-Kommission wurde schließlich einvernehmlich beauftragt, mit Moskau Sondierungsgespräche über Art und Umfang westlicher Hilfen zu führen.
Zuvor war der Wortlaut eines Briefes von Bundeskanzler Helmut Kohl an seine EG-Partner bekanntgeworden, der Berichte bestätigte, daß die Bundesregierung Kredithilfen für die Sowjetunion mit der Zustimmung Moskaus zur Nato Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands verknüpft. Aus dem Schreiben geht hervor, daß Michail Gorbatschow den Westen über die BRD um die Gewährung von Darlehen gebeten hat.
In einer vom Europäischen Rat verabschiedeten Erklärung unterstrichen die zwölf Staats- und Regierungschefs ihr Interesse am Erfolg der Reformpolitik von Staatspräsident Michail Gorbatschow und erklärten sich bereit, Moskau auf seinem Weg zu mehr Demokratie und Marktwirtschaft zu helfen. Die EG-Kommission soll aber zuvor die Situation in der UdSSR analysieren und Vorschläge unterbreiten, wie die Sowjetunion mit kurzfristigen Krediten und langfristigen Strukturhilfen unterstützt werden kann. Die Gegner von massiven Sofortmaßnahmen führten ins Feld, daß in der UdSSR der Weg zur Marktwirtschaft nicht konsequent genug beschritten sei. Die Befürworter äußerten die Befürchtung, daß das Reformwerk Gorbatschows ohne rasche Unterstützung scheitern könnte. Ungeachtet dieser Meinungsverschiedenheiten werteten der irische Ratsvorsitzende, Ministerpräsident Charles Haughey, und EG-Kommissionspräsident Jacques Delors den in Dublin erzielten Kompromiß als Erfolg.
Die Gemeinschaft begibt sich jetzt ohne konkrete Verpflichtung zum Weltwirtschaftsgipfel nach Texas. Am 9.Juli hoffe man, die USA und Japan beim beginnenden Siebenerklub in eine Überprüfung der sowjetischen Wirtschaftslage einzubinden. Die britische Premierministerin Margaret Thatcher habe ihren europäischen Kollegen beim Abendessen deutlich gemacht, 15 Milliarden Dollar, die nicht in konkrete Projekte flössen, seien bei einer Bevölkerung von 250 Millionen ineffektiv.
Einig waren sich die EG-Staaten, die Sanktionen gegen Südafrika vorerst nicht aufzuheben. Die Staats- und Regierungschefs beschlossen, den Apartheidstaat zu beobachten und die dortige Regierung in ihren Reformbemühungen zu ermutigen. Die Sanktionen sollen nach den Worten Haugheys dann gelockert werden, „wenn die Politik der Rassentrennung beweisbar ihrem Ende entgegengeht“. Siehe Tagesthema Seite 3
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