: Kohl pfeift Dregger zurück
■ Frankreich kann USA als atomare Schutzmacht nicht ersetzen / Zusammenarbeit im konventionellen Bereich soll verstärkt werden / Pershing 1a ist „Kooperationsform mit Dritten im Nuklearbereich“
Bonn (dpa) - Bundeskanzler Helmut Kohl ist Überlegungen entgegengetreten, wonach Frankreich anstelle der Amerikaner den nuklearen Schutz der Bundesrepublik übernehmen solle. Vor der CDU/CSU–Fraktion erklärte Kohl am Dienstag, Frankreich könne nach der Definition seiner Rolle als europäische Atommacht die für die Bundesrepublik lebenswichtige Nukleargarantie der USA nicht ersetzen. Der Bundeskanzler widersprach damit indirekt Vorstellungen des CDU/CSU–Fraktionsvorsitzenden Alfred Dregger, der mehrfach eine Ausdehnung des französischen Nuklearschirms empfohlen hat. Vor der Fraktion erwähnte er den Namen Dreggers allerdings nicht. In Anspielung offenbar auch auf den früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt, der ein enges Zusammengehen in der deutsch– französischen Sicherheitspolitik befürwortet, warnte er jedoch vor „unerbetenen Ratschlägen und öffentlichen Spekulationen“. Kohl bekräftigte den Wunsch nach einer engeren westeuropäischen Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik, da Westeuropa aus geographischen Gründen eine strategische Einheit bilde. Ohne Frankreich sei diese Einheit nicht vorstellbar. Der Kanzler wiederholte den Vorschlag, einen integrierten deutsch–französischen Truppenteil aufzustellen, der im letzten Jahr bei allen Gipfeltreffen zwischen Bonn und Paris eine Rolle spielte, ließ aber offen, auf welcher Ebene dies geschehen solle. Ferner strebe die Bundesregierung, um das französische Verteidigungspotential in der Verteidigung Mitteleuropas umfassend zur Wirkung zu bringen, neben operativen Planungen gemeinsame Truppenübungen, den Austausch von Einheiten und Soldaten sowie eine eng miteinander verknüpfte Offiziersausbildung an. Kohl wies vor der CDU/CSU– Fraktion den Vorwurf Moskaus zurück, die Bundesregierung erstrebe mit der Beibehaltung der Pershing 1a–Raketen die Stellung einer Nuklearmacht. „Dieser Vorwurf ist absurd“, sagte der Kanzler. Im Hinblick auf die Pershing 1a im Besitz der Bundeswehr, deren Sprengköpfe unter amerikanischem Verschluß sind, werde an der seit Jahren bestehenden Kooperation zwischen den USA und der Bundesrepublik nichts geändert. „Die Bundesregierung hat keinerlei Verfügungsgewalt über die amerikanischen Nuklearsprengköpfe für die Pershing 1a und erstrebt eine solche Verfügungsmöglichkeit auch nicht.“ Es sei einvernehmliche Entscheidung des Bündnisses, daß diese Raketen bei einem Abbau der Mittelstreckenwaffen beibehalten werden sollen. Die „nachgeschobene“ sowjetische Forderung, die US– Sprengköpfe in ein amerikanisch– sowjetisches Mittelstreckenwaffenabkommen einzubeziehen, werde von den USA und dem gesamten Bündnis zurückgewiesen. Zur Begründung sagte Kohl, in Genf werde ausschließlich über Waffen der Sowjets und Amerikaner verhandelt. Sogenannte Drittstaaten–Systeme oder „Kooperationsformen mit Dritten im Nuklearbereich“ seien bisher stets ausgeschlossen gewesen.
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