: Kohl kippt „gigantische Grabplatte“
■ Entwurf des Holocaust-Denkmals ist dem Kanzler zu monumental
Berlin (taz) – Drei Tage nach der Entscheidung, das zentrale Berliner Holocaust-Denkmal nach den Plänen der Künstlerin Christine Jackob-Marks zu errichten, ist um das Mahnmal erneut ein Streit entbrannt. Der Entwurf droht von Bundeskanzler Helmut Kohl gekippt zu werden. Der Kanzler habe erhebliche Einwände gegen die Form und Größe des Entwurfs geäußert, teilte gestern der Bonner Regierungssprecher Peter Hausmann mit.
Der Bundesregierung sei die dunkle Grabplatte in den Maßen von 100 mal 100 Meter zu monumental. Die mächtigen, ja „gigantischen Ausmaße“, ließen sich nur schwer in eine städtebauliche Komponente südlich des Brandenburger Tores einbeziehen.
Zugleich sei es notwendig, so Hausmann, die Entscheidungsfindung über das Denkmal transparenter zu machen: „Die Diskussion über die Gestaltung des Mahnmals muß fortgeführt werden mit dem Ziel, einen breiten Konsens aller Beteiligten zu erreichen.“ Der Sprecher betonte, daß die Bundesregierung ein „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ für wichtig halte und daher auch zu ihren Finanzierungszusagen stehe. Die Jury aus Vertretern des Bundesinnenministeriums, des Berliner Senats sowie die Denkmals- Initiatorin Lea Rosh hatten sich am vergangenen Mittwoch für die 20 Millionen Mark teure Grabplatte von Christine Jackob-Marks entschieden.
In die Oberfläche sollen nach und nach die Namen der sechs Millionen von den Nazis ermordeten Juden eingraviert werden. Außerdem war vorgesehen – entsprechend der jüdischen Tradition, Steine auf Gräber zu legen – 18 Felsblöcke zu errichten, die aus Massada (Israel) stammen. Die Jury beschloß, auf die Felssteine zu verzichten, da sie den jüdischen Widerstand gegen die Römer symbolisierten. Berlins Bausenator Wolfgang Nagel (SPD), der den internationalen künstlerischen Wettbewerb ausgelobt hatte, zeigte sich empört von der neuesten Entwicklung. Kohls Erklärung widerspreche eindeutig den Äußerungen des Staatssekretärs im Bundesinnenministerium, Walter Priesnitz, meinte der Bausenator. Wolfgang Nagel: „Die Erklärung ist nicht geeignet, Irritationen darüber auszuräumen, ob das wiedervereinigte Deutschland ernsthaft an einem solchen Denkmal interessiert ist.“ Rolf Lautenschläger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen