: „Können Sie nicht etwas leiser spielen?“
■ Jazz in Bremen (3)/ Am liebsten bei Kneipengemurmel: Heinz Wendel, der Klassiker
„Ich mußte immer die Clubs erst selber gründen, um dann darin spielen zu können.“ So beschreibt Heinz Wendel selbst sein Dilemma, das ihn zum wohl umtriebigsten und beständigsten Förderer der Bremer Jazzszene werden ließ. Der Jazzclub Ostertor, der „Pub auf den Höfen“, die Musikerinitiative Bremen – alles geht auf den Pianisten zurück. Aber wenn er in den 70ern mit einem italienischen Freund zusammen das Lokal „Pizza Napoli“ am Wall aufmachte, nur um darin Jazz spielen zu können, forderten dort bald die Gäste: „Können sie nicht etwas leiser spielen ?“
Bei seinen leidenschaftlichen Versuchen, in Bremen als Jazzmusiker sein Auskommen zu finden, scheint Wendel wohl eher von einer höheren Vernunft als von der so langweilig pragmatischen geleitet worden zu sein. „My Foolish Art“, also „Meine närrische Kunst“, nennt der Bremer „Handwerker, Kneipier, Musiker und Konzertorganisator“ Heinz Wendel seine neue CD (die in wenigen Tagen bei DACAPO erscheint). Und mit diesem Wortspiel um den Titel eines berühmten Jazzstandards bringt er seine Lebensgeschichte ironisch auf den Punkt.
Als er 1964 aus seiner Geburtssadt Hagen nach Bremen kam, gründete er in Walle die Jazzkneipe „Metronom“, suchte sich in Frankfurt die besten Begleitmusiker für sein Trio, und saß nach wenigen Wochen mit 12.000 Mark Schulden da. Seitdem hat er mit fast allen Lokalitäten, in denen in Bremen Jazz gespielt wurde, zu tun gehabt. Meist als Gründer, Betreiber oder Organisator. Im „Storyville“ auch mal ein halbes Jahr lang als festengagierter Klavierspieler für „5 Mark und einen Liter Schnaps pro Abend“. Und schließlich als hochverehrter Stammgast und –musiker bei „Gerken“.
Anfang der 60er Jahre hielt sich Wendel für einen professionellen Musiker: „Ein paar Leute sagten: Du spielst so gut wie keiner hier, und das hat mir damals gereicht“. In finanziellen Nöten entschied sich der gelernte Schlosser dann aber doch „mal für drei Wochen zu arbeiten, und daraus sind dann 25 Jahre geworden.“ Obwohl Wendel gerne als Schlosser arbeitet, weil man auch dabei „wissen muß, wo der Schlag sitzen soll“, blieb das Klavierspiel seine Leidenschaft.
Heinz Wendel mag es nicht, wenn man ihn auf seine so spannende Vergangenheit festlegen will. Als ein alter Bekannter ihm vor kurzem sagte: „Schön, daß Du immer noch so spielst wie früher“ war das für ihn (im besten brechtschen Sinne) eine große Enttäuschung: „Der hat schon damals nicht richtig zugehört.“
Wichtiger ist es ihm über seine Musik von heute zu reden: Bebop, im klassischen Trio gespielt. Zwischen Bill Evans und Thelonius Monk hat er seinen eigenen, für seine robuste Statur überaschend zarten Stil gefunden. Oberflächlich betrachtet, hat dieser sich mit den Jahren kaum gewandelt hat, geht aber immer weiter in die Tiefe. Wendel spielt nur bekannte Klassiker von den großen amerikanischen Jazzern – Songs die, gerade weil die Zuhörer sie und ihre Interpretationen durch andere Jazzpianisten kennen, für ihn die größeren Herausforderungen bieten: „Selber komponieren wäre viel einfacher.“
Für Heinz Wendel ist guter Jazz „nicht spektakulär, sondern organisch“: Musik für eine Minderheit und eine Kunst, für die er sich seine eigene Nische geschaffen hat. Mit seinem Trio, zu dem neben dem Bassisten Thomas Biller auch sein langjähriger Freund, der Schlagzeuger Harold Smith gehört, spielt Heinz Wendel jetzt wieder regelmäßiger in Clubs. Auch wenn er sich oft über den Geräuschpegel ärgert, fühlt er sich dort offensichtlich wohler als in einer konzertanten Atmosphäre. Überseemuseum, das für die neue CD mitgeschnitten wurde, für ihn wohl eher eine Ausnahme bleiben. Ein dezentes Gläserklirren und Kneipengemurmel passen eher zu seiner Musik als andächtig lauschende Feingeister. Und so endet die CD dann auch mit einigen Minuten Originalton „live bei Gerken“. Willy Taub
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen