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Königstadt 5369 muß Gesamtkunstwerk bleiben

■ „Tacheles“ fürchtet um seine Zukunft/ Verein möchte Erbbauvertrag, zumal das Grundstück frei von Restitutionsansprüchen ist/ Die Entscheidung fällt am Dienstag

Mitte. Mit bestechenden Argumenten warteten gestern die Mitarbeiter des „Tacheles“ auf. Da sich in einem verschlossenen Briefumschlag inmitten der überreichten Pressemappe 500 Mark in – leider nur schwarzweiß kopierten – Scheinen befanden, waren die Journalisten leicht zu überzeugen, daß das international renommierte Kulturprojekt einen Erbbauvertrag vom Land Berlin bekommen muß. Dieser nämlich wäre eine echte Alternative zu dem Angebot des schwedischen Investors Skanska, über das der Koordinationsausschuß für innerstädtische Investitionen (KOAI) am nächsten Dienstag entscheidet.

Da das „Tacheles“ aber immer für eine Überraschung gut ist, soll hier nicht ausgeschlossen werden, daß der Brief eine Under-Couvert- Aktion war, ein Sinnbild dafür, daß es mal wieder und leider immer wieder ums Geld geht. Denn man bemerke wohl: Die 60 Mitarbeiter des „Tacheles“ haben die Restruine des 1907 erbauten Kaufhauses Friedrichstadtpassage seit ihrer Besetzung im Februar 1990 mit gut einer Million Mark Fremdmitteln und Eigenleistungen im geschätzten Wert von rund vier Millionen so weit instand gesetzt, daß der Kulturbetrieb reibungslos verläuft. Für eine Grundinstandsetzung und den weiteren Ausbau würden jedoch weitere 22 Millionen benötigt, so „Tacheles“-Architekt Carl-Georg Schulz. Der schwedische Konzern Skanska, der das gesamte Brachgrundstück inklusive „Tacheles“ kaufen und mit einem Investitionsvolumen von 750 Millionen Mark vollpflastern will, bot zwar die Übernahme dieser Sanierungskosten an. Aber nur dann, wenn das „Tacheles“ das Gebäude für 12 Mark pro Quadratmeter mietet und es nach zehn Jahren klaglos wieder räumt. „Das ist für uns absolut indiskutabel“, so Jochen Sandig, Vorstandsvorsitzender des Trägervereins. Nicht nur, weil damit der Kulturstandort auf Dauer ungesichert sei – entgegen einem vor wenigen Tagen im Kulturausschuß des Parlaments einstimmig angenommenen Antrag. Sondern auch, weil Skanska die wegen ihres „Puppenstubeneffekts“ berühmt gewordene Hinterfront des „Tacheles“ zubauen und ihm damit den Charakter des Gesamtkunstwerks nehmen will.

Die Alternative dazu ist eine Heraustrennung des „Tacheles“ aus dem Skanska-Gelände via Erbbauvertrag. Damit könnte der Trägerverein als Eigentümer des Hauses einen Bankkredit aufnehmen und die Sanierungskosten bezahlen. Auch die Bezirksverordnetenversammlung Mitte befürwortet diese Lösung. Am 12. November forderte sie in einem mit großer Mehrheit verabschiedeten Beschluß den Senat auf, einen solchen Vertrag auszuhandeln. Nicht etwa weil die Bezirksparlamentarier auch kleine Couverts zugesteckt bekommen hatten, sondern weil sie durch einen ausschließlich zugunsten des Investors ausfallenden Beschluß eine negative Ausstrahlungskraft auf andere Projekte und Landesgrundstücke befürchten.

Bislang allerdings hatten die Behörden dem „Tacheles“ immer wieder signalisiert, daß ein Erbbauvertrag wegen bestehender Restitutionsansprüche früherer Eigentümer nicht in Frage käme. Die „Tacheles“-Leute aber ließen es nicht dabei bewenden und recherchierten der Sache selbst hinterher. Und bekamen heraus, daß „Königstadt 5369“, wie das Grundstück aus unerfindlichen Gründen in seiner offiziellen Eintragung heißt, von berechtigten Ansprüchen unbelastet sei. „Erst gestern“, freute sich Jochen Sandig, „bekamen wir einen letzten entsprechenden Telefax von der Jewish Claims Conference.“

Bestechende Entscheidungshilfen für die Sitzung des Koordinierungsausschusses am Dienstag. Oder muß da auch noch nachgeholfen werden? Ute Scheub

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