: König und Kugeln in Jugoslawien
Belgrad (taz) — Die oppositionelle serbische Demokratische Partei hat den Prinzen Tomislav Karadjorevic, einen jüngeren Bruder des letzten serbischen Königs Peter II., als Präsidentschaftskandidaten für die Parlamentswahlen in Serbien nominiert. Dieser Schritt ist durchaus nicht ohne taktisches Geschick: denn nur dem Sproß der Königsfamilie wird eine reale Chance gegeben, erfolgreich gegen den Exparteichef der Kommunisten und jetzigen Präsidenten Slobodan Milosevic für die Wahlen anzutreten.
Milosevic ist in Serbien sehr populär. Er vertritt nach Auffassung der Opposition zwar einen nationalistischen Kurs, so wie sie ihn auch selbst fordert. Aber sie kritisiert Milosevic zunehmend als Repräsentant des alten Regimes. Im Hinblick auf die Wahl, die noch in diesem Jahr stattfinden soll, haben sich inzwischen insgesamt 26 Parteien registrieren lassen.
Währenddessen spitzte sich die Lage im Kosovo wieder zu. Am Wochende sollen nach jugoslawischen Presseberichten sechs Menschen bei Feuergefechten zwischen Albanern und serbischen Sicherheitskräften getötet worden sein. Gegen alle kosovo-albanischen Abgeordneten des Parlaments in Pristina sind Strafverfahren eingeleitet worden, da sie, wie berichtet, auf einer illegalen Sitzung Möglichkeiten einer Umwandlung ihrer ehemals autonomen serbischen Provinz in eine Republik im Rahmen des Vielvölkerstaates diskutiert hatten. Über ein Dutzend Parlamentarier wurde verhaftet.
In dieser hochgespannten Situation erschien im Kosovo ein Flugblatt (es liegt der taz vor), demzufolge eine neue „Strategie“ gefordert wird. Das Bundesheer soll gezwungen werden, im Kosovo einzugreifen. Faktisch käme das „einer Entmachtung der serbischen Hegemoniebestrebungen gleich“. Die neue Strategie, die im Flugblatt — dessen Herkunft allerdings umstritten ist — gefordert wird, bedeutete ein militanteres Vorgehen der Kosovo-Albaner, die sich bisher darauf beschränkt hatten, passiven Widerstand zu leisten. Roland Hofwiler
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