piwik no script img

Archiv-Artikel

König Kunde? Denkste!

Die Medienkrise (Teil 2): Verlage müssen wegen der Werbeflaute sparen – zum Nachteil des Lesers

von STEFFEN GRIMBERG

„Fakten, Fakten, Fakten – und immer an die Leser denken!“ Wer kennt es nicht, das Markwort’sche Mantra, mit dem der Focus-Chef seine Redaktion und via TV-Werbung auch den Rest der Welt mit schönster Regelmäßigkeit beglückt.

Die meisten Zeitungsverleger zum Beispiel: Natürlich führen auch sie bei den alljährlichen Medienkongressen und Verbandskonferenzen ihrer Zunft stets die LeserInnen an sich im Schilde. Doch im schnöden Pressealltag gehen die Uhren anders. Schließlich erzielen Zeitungen den größten Teil ihrer Einnahmen aus dem Werbegeschäft. Zwei Drittel bis drei Viertel des Umsatzes wird mit Reklame gemacht, der Verkauf der Zeitung – am Kiosk oder per Abonnement – geriet in den letzten Jahren immer mehr ins Hintertreffen.

Doch nun ist zumindest in Deutschland seit zwei Jahren Schluss mit steigenden Werbeeinnahmen. Während die Privatsender derzeit immerhin schon vom „Licht am Ende des Tunnels“ sprechen, bleibt es im Zeitungsbereich zappenduster: Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger bewertet die Reklamezahlen für die ersten drei Monate 2003 „keinesfalls als Ende des Abschwungs“ – wie auch, bei einem durchschnittlichen branchenweiten Rückgang von weiteren 10 Prozent?

Sparprogramme tun Not: „Diversifizierung, der Ausbau des Auslandsgeschäfts und Kooperationen mit Wettbewerbern“ sollen nach einer aktuellen Bestandsaufnahme der Branchenbibel Horizont die „Abhängigkeit vom schwächelnden Werbemarkt verringern“. Doch was machen die vielen kleineren Pressehäuser, die nicht wie der Spiegel teilweise aufs Fernsehen („Spiegel TV“, Metropolensender XXP) ausweichen können und bei denen es mit dem Auslandsgeschäft auch nicht weit her ist? Ihnen bleibt oft nur, einen drastischen Sparkurs zu fahren (neudeutsch: zu konsolidieren), im Verlag wie in den Redaktionen: Bestimmte Themenseiten werden dann gar nicht mehr vom eigenen Haus – und mit Fokus auf die individuelle, eigene LeserInnenschaft – bestritten, sondern fix und fertig zugekauft. So spart der Verlag, aber die Zeitung wird teurer. Denn im Gegensatz zum Werbemarkt sind immerhin die Abo-Preise fast aller deutschen Zeitungen im Aufwind.

Doch auch wenn hier den LeserInnen finanziell einiges abverlangt wird: Vor allem in den so genannten Einzeitungskreisen, also Städten und Regionen, in denen ohnehin nur noch eine lokale Zeitung als Monopolist erscheint, galt das „und immer an die Leser denken“ allen verlegerischen Sonntagsreden zum Trotz bislang immer weniger. Schließlich hat hier „König Kunde“ nur die Wahl, ganz auf lokale Information zu verzichten – oder mit langen Zähnen am Ball zu bleiben. Über die Hälfte der Bundesrepublik ist schon ein solcher „Einzeitungskreis“.

Dank Werbekrise wendet sich nun das Blatt, und die traditionell wenig veränderungsfreudigen Verleger sind kurz davor, ihre LeserInnen wieder zu entdecken: „Keine Existenzkrise“ beutele gerade die deutschen Zeitungen, merkt nun auch der BDZV, sondern wohl eher „eine Anpassungskrise“. Vor allem junge Menschen greifen immer weniger zur Zeitung. Hier, das weiß auch der Verlegerverband, muss und soll schnell gehandelt werden.

Und was kommt dabei heraus? „Kinderseiten, Jugendseiten, Musikspecials – die Klaviatur der Zeitungsverleger ist bekannt, wenn es darum geht, junge Menschen an ihr Medium harnzuführen“, spöttelt Horizont: „Nur vergessen sie dabei häufig eines: Die Zeitungen, so wie sie heute erscheinen, haben mit der Lebenswirklichkeit junger Leute nichts zu tun.“

Bisher erschienen: „Frisches Geld, dringend gesucht!“ (19. April)