Koalitionsvertrag in Sachsen: Der schwarz-gelbe Präzedenzfall
CDU und FDP haben in Sachsen nach nur 15 Tagen ihren Koalitionsvertrag verabschiedet. Der liberale Juniorpartner konnte dabei nur wenig eigene Ziele durchsetzen.
DRESDEN taz | "Hallo Koalitionspartner!" Die joviale Geste, mit der CDU-Fraktionschef Steffen Flath in der Landtagskantine händeschüttelnd auf FDP-Generalsekretär Torsten Herbst zugeht, sagt eigentlich alles. Bonmots fliegen hin und her, man strahlt sich an. Es ist Mittwochmittag, und beide Fraktionen brüten abschließend über dem Koalitionsvertrag und über Personalien. Erst am späten Nachmittag werden die Ergebnisse den Medien vorgestellt, aber Überraschungen erwartet niemand mehr.
Auch das Tempo der Einigung nach nur 15 Tagen verwundert nicht. Beide Partner wollten noch vor der Bundestagswahl einen schwarz-gelben Präzedenzfall schaffen. Nach verlässlichen Informationen sind die Verhandlungen in den CDU-geführten Ministerien bereits seit Monaten vorbereitet worden.
Wenn man sich in den letzten Tagen nach Inhalten des 60-seitigen Koalitionspapiers erkundigen wollte, kam meist das geflügelte Wort zurück: Schau doch ins Parteiprogramm der CDU! Insofern richtet sich das Interesse auf die Akzente, die der Zehn-Prozent-Juniorpartner durchsetzen konnte.
An erster Stelle steht hier das Bildungssystem. In der Opposition hatten die Liberalen noch eine gemeinsame sechsjährige Schulzeit für alle gefordert. Es bleibt jedoch wie bisher bei der Trennung von Mittelschule und Gymnasium nach der vierten Klasse, zumal auch der Sächsische Lehrerverband vor Experimenten warnte.
Im Sinne der CDU wird der Zugang aufs Gymnasium, wofür bislang ein Notendurchschnitt von 2,5 genügte, sogar erschwert. Dafür erreichte die FDP das Zugeständnis, dass nach der sechsten Klasse eine erneute Bildungsempfehlung ausgesprochen werden kann. Mit ihr, so die Liberalen, könnten Fehlentscheidungen korrigiert und die Durchlässigkeit des Systems verbessert werden. Der Philologenverband begrüßte die gefundene Regelung sofort.
Auch Studiengebühren sollen in gemilderter Form kommen - für höhere Semester bei Überschreitung der Regelstudienzeit. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hatte im Frühjahr einen erstaunlichen Sinneswandel vollzogen, als er Studiengebührenfreiheit als sächsischen Standortvorteil erkannte.
In die Verwaltung, wo die FDP die Abschaffung der Mittelebene der Landesdirektionen gefordert hatte, kommt zumindest "Bewegung", wie es in der FDP heißt. Ebenso bei der Sicherheitspolitik, wo es beim geplanten Versammlungsgesetz einen Kompromiss geben soll. "Schäuble-Methoden wird es mit uns nicht geben", so Torsten Herbst. Das Programm "Weltoffenes Sachsen" gegen Rechtsextremismus soll beibehalten werden.
Die CDU-Landtagsfraktion bestimmte erwartungsgemäß Stanislaw Tillich als Kandidat für den voraussichtlich am 24. September zu wählenden Ministerpräsidenten. Landtagspräsident soll der 54-jährige Matthias Rößler werden - ein sperriger und ehrgeiziger Politiker, bis 2004 Kultus- und dann Wissenschaftsminister, für den noch ein passendes Amt gesucht wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste