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KoalitionsverhandlungenCDU pfeift auf Mindestlohn

Gilt auch für die "Bürgerarbeiter" eine Lohnuntergrenze? Mag sein, sagt die SPD. Nicht so wichtig, die CDU - die im Bund mit Mindestlohn punkten will.

8,50 Euro Mindestlohn? 7,50 Euro? Oder gar nicht? Bild: dapd, Philipp Guelland

Während sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Bundesebene für ihr Durchringen zum Mindestlohn feiern lässt, wird in Berlin um die Bezahlung von Bürgerarbeit, vormals öffentlich geförderter Beschäftigungssektor ÖBS, gerangelt. Das Thema Mindestlohn sei an dieser Stelle zweitrangig, sagt CDU-Wirtschaftsexperte Thomas Heilmann. Da ist noch längst nichts entschieden, so die SPD-Sprecherin für Soziales, Ülker Radziwill.

In der Koalitionsrunde zum Thema Soziales hatte Rot-Schwarz dem einstigen Prestigeprojekt der Linken eine klare Absage erteilt. Der ÖBS, bei dem Langzeitarbeitslose sozialversicherungspflichtig und zu Mindestlohnbedingungen beschäftigt werden, soll so nicht fortgesetzt werden. Bislang verdienten die im ÖBS Beschäftigten mindestens 1.300 Euro im Monat bei 40 Stunden Arbeit pro Woche. Aktuell sind noch etwa gut 5.000 Menschen im ÖBS tätig.

Vor allem die CDU will nun auf das Bundesprogramm Bürgerarbeit umstellen, bei dem die Langzeitarbeitslosen zwar ähnliche Jobs übernehmen, aber nur noch 900 Euro brutto bei 30 Wochenstunden verdienen sollen. "Wenn die neue Koalition künftig den ÖBS durch die Bürgerarbeit ersetzt, schafft sie einen Bereich Arbeit mit Bezahlung zweiter Klasse", fürchtet Noch-Arbeitssenatorin Carola Bluhm (Linke). Den geringen Verdienst müssten im Zweifel die Jobcenter aufstocken und die Miete für die Bürgerarbeiter übernehmen.

Bis Mittwoch wollen die Experten aus CDU und SPD eine gemeinsame Position zur Bürgerarbeit erarbeiten. Es sei noch nicht entschieden, ob und wieviel das Land auf die 900 Euro "aufsattelt", heißt es von der SPD. "Bei der Überarbeitung müssen wir uns anschauen, was in Sachen Mindestlohn auf Bundesebene passiert", so Radziwill.

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3 Kommentare

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  • N
    Nils

    @ GerdH:

     

    Ich stimme Dir ja durchaus zu, das Grundübel der Arbeitssituation in Deutschland und weltweit ist die Erpressbarkeit der Arbeitnehmer. Eine soziale (!) Marktwirtschaft ist auf dieser Grundlage kaum möglich.

     

    Aber ein bedingungsloses Grundeinkommen? Wie soll das finanziert werden? Und wer finanziert das? Hier bitte nur realistische Vorschläge, nicht im Stil von "Bundeswehr abschaffen und das Geld für sinnvollere Dinge ausgeben". Mein Herz schlägt ja kräftig auf der linken Seite der Brust, aber ich bin nicht bereit, meinen ggf. selbstverschuldet unqualifizierten Mitmenschen die gewählte Untätigkeit zu finanzieren. Wer arbeitet noch im Bereich der unqualifizierten Arbeit, wenn er auch anstrengungslos sein Einkommen hat? Anders gesagt: Wer putzt das Klo, wenn er auch so über die Runden kommt?

     

    Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Wer unsere Klos putzt, hat verdammt noch mal ein Recht darauf, auch anständig bezahlt zu werden, und zwar nicht zu den unmoralisch tiefen Löhnen, die heutzutage im Niedriglohnsektor bezahlt werden. Wer nicht bereit ist, Menschen anständig zu bezahlen, die den eigenen Dreck wegmachen, der hat kein Recht darauf, eben dies von anderen Menschen zu fordern und muss es dann eben selber tun.

     

    Man darf Menschen nicht dazu zwingen, jeden Job zu jeden Bedingungen annehmen zu müssen. Man darf Menschen aber auch nicht dazu animieren, das Arbeiten völlig einzustellen und dies anderen zu überlassen. Das Dilemma, die Erpressbarkeit von Arbeitnehmern aufzuheben, gleichzeitig aber nicht das Nichtstun zu subventionieren, ist noch nicht gelöst. Mindestlöhne (nicht der Quatsch, den die Kanzlerin da jetzt aus taktischen Gründen veranstaltet) wären schon mal ein Anfang, plus solide, branchengebundene Tarifabschlüsse, die über dem Mindestlohn zu liegen haben und auch eine Differenzierung nach Qualifikation und Arbeitsintensität zulassen.

     

    Wie könnten wir hier dastehen, wenn in Dt. alle arbeitswilligen Menschen ein vernünftiges Einkommen hätten... die Krankenversicherungen, die Rentenversicherung würden besser dastehen, die Steuereinnahmen würden sprudeln. Wir hätten eine gesunde Binnennachfrage, weniger gesellschaftlich abgehängte Mitmenschen, weniger Kosten im sozialen Bereich... Dies alles allerdings nur unter der Bedingung, dass höhere Einkommen einerseits durch geringere Gewinnspannen bei den Arbeitgebern und andererseits ggf. durch Arbeitszeitreduzierungen OHNE Lohnausgleich im Bereich der mittleren und oberen Einkommen finanziert werden.

  • S
    Sweetflower

    Was wir ebenfalls dringend brauchen, ist eine nach oben begrenzter Höchstlohn/Gehalt für Politiker, Manager und überhaupt alle. Es kann nicht sein, dass ein Arbeiter oder Angestellter 40 Std die Woche arbeiten muß und noch nicht einmal 2000 Euro verdient und die da oben bestimmen bei Kaffee und Schnittchen ihre Gehälter selbst. Theoretisch müsste es sogar einen Bundesweiten Einheitslohn pro Stunde egal für welche Arbeit geben. Denn der Arbeiter, Maurer, Pförtner, Polizist, etc. oder Müllfahrer sind für unsere Gesellschaft genauso wichtig wie der Manager oder Geschäftsführer, Programmierer, Staatssekretär, Richter oder Wissenschaftler. Und jede Arbeit hat seine körperliche oder geistige Belastung. Jemand der 50 Stunden die Woche arbeitet hat auch 25 % mehr zu verdienen als der der nur 40 Std. arbeitet, aber eben auch nicht mehr. Das Manager usw. zT. eine 70 Std. Woche haben, ist wohl wahr. Aber erstmal arbeiten die nicht wirklich die ganze Zeit und zweitens ist es kein Grund dafür das 20-Fache eines normalen Angestellten zu verdienen. Das z. B. tatsächlich die Zeit die Richter auf dem Golfplatz verbebringen als Arbeitszeit gewertet wird (weil sie ja da über Verfahren nachdenken) ist ein Skandal! Und dafür bekommen die mehrere Tausend Euro im Monat mehr als ein Bandarbeiter oder gar Rettungsanitäter.

  • G
    GerdH

    Mindestlohn muß nach heutigen Stand der Politik etmal unbedingt eingeführt werden.

     

    Allerdings ist dies nicht die richtige Lösung um an das Grundproblem unserer Sozialen Gesellschaft heranzugehen. Auf lange Sicht hilft das Deutschland und den Bürgen nicht weiter.

     

    Was wir brauchen um die Gesamtsituation langfristig zu retten ist das bedingungslose Grundeinkommen. Wenn dies eingeführt wird, brauchen wir auch keine Mindestlöhne, sondern jeder Mensch kann dann ohne finanzielle Not frei entscheiden, ob er den angebotenen Job für die angebotene Bezahlung zusätzlich annehmen möchte oder nicht. Das würde natürlich die Arbeitgeber zwingen ihre Jobs interessanter und lukrativer zu gestalten. Und genau das wollen die da oben nicht. Der Arbeiter bzw. Bürger wäre nicht mehr erpressbar und sie könnten ihn nicht mehr ausbeuten. Machtverlust droht! Und da die Menschen dann auch keine Gewerkschaften mehr brauchen um ihre Interessen zu erkämpfen, haben die Gewerkschaften auch etwas gegen das Grundeinkommen. Sie bangen um ihre Existenzberechtigung und Pfründe.