Koalitionsverhandlungen in Berlin: Ein Vertrag für alle
Der Koalitionsvertrag ist ein Signal der CDU, unbedingt regieren zu wollen. Er ist nicht nur als Angebot an die SPD-Basis zu verstehen.
S eit drei Wochen verhandeln CDU und SPD in Berlin über ihren Koalitionsvertrag. Die anfängliche Verwunderung über den straffen Zeitplan nach der Wiederholungswahl am 12. Februar hat sich gelegt; beide Parteien arbeiten rasch, zielorientiert und – wie es vielfach heißt – in konstruktiver, angenehmer Atmosphäre. Am Montag soll der Vertrag vorgestellt werden; kaum vorstellbar, dass sich bis dahin noch unlösbare Konflikte ergeben.
Die größte Hürde kommt erst danach: Die SPD-Basis muss dem Vertrag und damit der Koalition in einer Mitgliederbefragung zustimmen. Viele Delegierte in den Kreisverbänden bezweifeln, dass CDU und SPD überhaupt zusammenpassen. Offenbar in vorauseilendem Gehorsam hat die CDU daher zahlreichen Positionen der SPD zugestimmt: im Bereich Arbeit und Soziales etwa, bei der Gebührenfreiheit der Bildung, bei der Umsetzung des Enteignen-Volksentscheids, im Klimaschutz und beim Kampf gegen Rassismus und für Vielfalt.
Sogar das vor allem auf Drängen der Linkspartei eingerichtete Programm „Housing first“, mit dem Obdachlose vorbehaltlos eine Wohnung bekommen, werde weitergeführt, hieß es am Freitag. Darüber hinaus soll die SPD genau so viele Senator*innen bekommen wie die Union, obwohl die Sozialdemokrat*innen mit 18 Prozent abgeschlagen hinter der CDU mit 28 Prozent lagen.
Zwar konnte die CDU auf den Zielgeraden eigene wichtige Punkte durchsetzen: die Einführung eines Wahlpflichtfachs „Weltanschauung und Religion“, die Stärkung der Gymnasien und Privatschulen und die beabsichtigte Eigenheimförderung für Familien. Dennoch darf man schon mal das Gedankenspiel wagen, ob auch die CDU-Basis in einer Urabstimmung dem Vertrag zustimmen würde.
Doch die CDU, die zuletzt 2001 den Regierenden Bürgermeister stellen konnte, ist heiß darauf, das Rote Rathaus endlich wieder übernehmen zu können: Für Parteichef und Spitzenkandidat Kai Wegner, von der Bundespartei wenig geliebt und im Wahlkampf als „einsamer Kai“ von der SPD verspottet, wäre das die größte Genugtuung. Darüber hinaus ist sein Kurs weit in die politische Mitte hinein taktisch notwendig.
Machtoptionen jenseits der SPD
Zum einen gibt es in Berlin weiterhin eine strukturell linke Mehrheit, wie die Wiederholungswahl zeigte. Zum anderen kann sich Wegner so perspektivisch mehr Machtoptionen eröffnen als nur die SPD. Seine Taktik, mit Grünen und SPD parallel zu sondieren, war bereits dahingehend aufgegangen, dass sie beide Parteien unter Druck setzte und das Misstrauen zwischen SPD und Grünen stärkte. Aus Angst, nicht aus freien Stücken in der Opposition zu landen, zerriss die SPD das Tischtuch mit ihren bisherigen Koalitionär*innen und wählte lieber das Los, Juniorpartner*in in einem Bündnis mit der Union zu sein.
Sie eröffnete damit auch die Möglichkeit einer Koalition zwischen Grünen und CDU – ohne massive Not würde die Grünen-Basis nie einem Bündnis mit der Union zustimmen. Der Vertrag, den Wegner nun mit der SPD ausgehandelt hat, muss daher auch als Angebot an die Grünen gelesen werden. Sicher, nicht in allen Punkten könnten sie dem komplett zustimmen, vor allem in den Bereichen Innere Sicherheit, Stadtentwicklung und Verkehr. Aber der CDU-Chef signalisiert damit, dass weitgehende Zugeständnisse möglich sind. Sollte die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag nicht zustimmen, könnten die Grünen schon in wenigen Wochen erneut mit dem Angebot der CDU konfrontiert sein. Und sonst eben 2026.
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