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Koalitionsstreit um Spitzensteuer

■ Im Vorfeld der Koalitonsverhandlungen kontroverse Haltungen der Regierungsparteien über eine Senkung des Spitzensteuersatzes / FDP und CSU fordern im Gegensatz zur CDU weniger Steuern für Großverdiener

Berlin (dpa/taz) - Die Frage, wieviel Geld der Staat künftig seinen Großverdienern abnehmen soll, dürfte der erste ernsthaft umstrittene Punkt in den anlaufenden Koalitionsverhandlungen werden. An der Senkung des Spitzensteuersatzes schieden sich gestern die Geister in den Führungsgremien beider Parteien. Das Präsidium der Freien Demokraten beharrte als wirtschaftsliberale Partei darauf, den Spitzenverdienern künftig nicht mehr als die Hälfte ihres Einkommens an Steuern abzuzwacken. Der Höchststeuersatz für die obersten Einkommen beträgt zur Zeit 56 Prozent. Auf einem Vorziehen der zweiten Stufe der Steuerreform ins laufende Jahr (nicht zu verwechseln mit der Steuer“struktur“reform, die die Regierung für die 90er Jahre anpeilt) scheint der kleinere Koalitionspartner nicht in gleichem Maße zu beharren. Immerhin hatten die Freien Demokraten - allen voran Graf Lambsdorff - das Beschleunigen der zweiten Reformstufe zu einem ihrer Haupt–Wahlkampfschlager gemacht. Die Unionsparteien sind in der Frage des Spitzensteuersatzes gespalten. In denkwürdiger Gemeinsamkeit mit der FDP fordert auch die CSU die Senkung des Spitzensteuersatzes, während sich in der CDU dafür kaum jemand erwärmen kann. Bundesfinanzminister Stoltenberg muß für die nahe Zukunft ohnedies mit geringeren Steuereinnahmen rechnen, geringere Zahlungen seitens der Großverdiener würden ihm deshalb sehr ungelegen kommen: Nach der Wahl schwenkten selbst die konservativen Wirtschaftsforschungsinstitute auf Konjunkturpessimismus um. Anstatt der 2,5 Prozent Wachstum wird es im laufenden Jahr wohl maximal nur 1,5 Prozent geben, was einen Steuerverlust von knapp 5 Milliarden DM ausmachen dürfte. Davon betrifft die Hälfte die Bundeskasse. Für Arbeitsminister Blüm ergibt sich in der Frage des Spitzensteuersatzes die Möglichkeit, sein Image in der Arbeitnehmerschaft nach dem Debakel um den Paragraphen 116 des Arbeitsförde rungsgesetzes wieder aufzumöbeln: „Die Senkung des Spitzensteuersatzes in einer Zeit, in der wir in der Sozialpolitik sparen und von vielen Opfer verlangen müssen, ist unzumutbar.“ Die Ländervertreter im CDU– Präsidium komplizieren die Haltung der Union noch im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen. Die CDU–Ministerpräsidenten der nördlichen Länder, Albrecht und Barschel, wollen einer Senkung des Spitzensteuersatzes nur dann zustimmen, wenn sie im Rahmen des Länderfinanzausgleichs von den südlichen Ländern mehr Geld erhalten. Späth und Strauß hingegen wollen nur ihr Plazet geben, wenn sie keine zusätzlichen Millionen nach Niedersachsen, Schleswig–Holstein und die Stadtstaaten abführen müssen. Heute werden die Parteien erneut getrennt über ihre allgemeinen Marschrouten für die Koalitionsverhandlungen beraten, die Donnerstag und Freitag in die erste Runde gehen sollen. Anfang kommender Woche wird man dann erneut unter sich weiterdebattieren. ulk

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