: Koalitionskrach um Wahl-Sperrklausel
Die Stimmen für eine gesamtdeutsche Fünf-Prozent-Klausel werden lauter / SPD-Vorsitzender Vogel kündigt für den Fall einer Drei-Prozent-Klausel Verfassungsklage an / Die CDU/CSU zieht sich vorsichtig zurück ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan
Der Streit um unterschiedliche Sperrklauseln bei den Wahlen zum ersten gesamtdeutschen Parlament verschärft sich. „Verfassungsrechtlich sehr bedenklich“ nannte es FDP -Generalsekretärin Cornelia Schmalz-Jacobsen gestern in Bonn, wenn in der DDR nach einem Gesetz gewählt würde, das eine Sperrklausel von drei Prozent festschreibt, während nach dem Wahlgesetz der BRD eine Partei fünf Prozent der Wählerstimmen braucht, um ins Parlament zu gelangen. Schmalz -Jacobsen sprach sich für eine einheitliche Fünf-Prozent -Klausel aus.
„Eher“ für eine Fünf-Prozent-Klausel als für eine Drei -Prozent-Hürde plädierte in einem Zeitungsinterview auch die CDU-Politikerin und DDR-Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann-Pohl. Bundesinnenminister Schäuble hingegen hatte jüngst gefordert, bei der ersten gemeinsamen Wahl in der DDR solle eine Drei-Prozent-Sperrklausel gelten. Die Ost-CDU war bisher ebenso wie die DSU auf entsprechender Linie. Eine Drei-Prozent-Klausel würde in der DDR jene Gruppen begünstigen, die maßgeblich die Revolution getragen hätten, beschied Johannes Gerster, der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, gestern in Bonn.
SPD-Ost und -West haben sich für eine einheitliche Fünf -Prozent-Hürde ausgesprochen. SPD-Chef Vogel drohte am Mittwoch in Bonn mit einer Verfassungsklage, falls bei der Wahl unterschiedliche Hürden gelten würden: „Es darf nicht sein, daß durch trickreiche Gestaltung ein Privileg für PDS und DSU geschaffen wird.“
Zweifel an der Zulässigkeit unterschiedlicher Wahlgesetze scheinen allerdings auch innerhalb der BRD-Union zu wachsen. Manfred Langner, Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Bonn, bemühte sich nach Kräften, die Bedeutung des Streits herunterzuspielen: Die „ganze Auswirkung“ einer Drei-Prozent -Klausel in der DDR beschränke sich darauf, daß eine Liste schon bei drei Prozent mit etwa fünf Abgeordneten statt mit fünf Prozent und circa acht Mandaten vertreten wäre.
Überdies schob er das Problem der DDR zu: Sie müsse es verfassungsrechtlich prüfen. Schließlich eröffnete Langner vorsichtig eine Rückzugsmöglichkeit: „Wünschenswert“, so der Unionspolitiker „wäre allerdings die Fünf-Prozent-Klausel in beiden Wahlgebieten“.
Das Wahlverfahren, insbesondere die Wahlgesetze, wird am Mittwoch kommender Woche auch den Bundestagsausschuß deutsche Einheit beschäftigen, wenn Innenminister Schäuble seine Vorschläge für einen zweiten Staatsvertrag mit der DDR vorlegen wird.
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