: Koalitions-Kungeln
■ Eine Macht- und Nebelaktion
Egon Bahr sprach damals sogar von faschistoiden Zügen, die in der „Schlammschlacht“ namens Wahlkampf vorhanden gewesen wären. Das war aber auch eine Lust, mitanzusehen, wie da einer den anderen mit Dreck bewarf; mit Verunglimpfungen eine abenteuerlicher als die andere - nur so um sich schmiß und man sich lediglich selbst als die alleinseligmachende Vereinigung hinstellte - sauber, ehrlich und rein.
Was immer der geplagte Wähler von den großmäuligen Sprüchen der Ost-Provinz-Politiker auch gehalten haben mag, eines schien auf alle Fälle klar: Wenn es aus allen sozialdemokratischen Rohren schoß, daß es mit Leuten vom Schlage eines Ebeling keinerlei Zusammenarbeit geben werde also, nichts war doch glaubwürdiger als das! So ungefähr muß jedenfalls Mäxchen Müller gedacht haben, als er am 18. März sein Kreuz hinter die Nummer 20 des Stimmzettel setzte und sich hämisch darüber freute, daß er es den DSUlern nun aber gegeben hätte.
Armer Max! Vergaß er doch eines ganz und gar: Jede Profession hat ihre Berufskrankheiten, und was dem Steinbruchwerktätigen seine Staublunge, ist dem Politiker seine Amnesie. Da kann man halt nix machen. Und kaum war der Wahltag vergangen, setzte bei der SPD-Führung auch schon das kollektive Vergessen ein. Da wird der Herr Ebeling pötzlich zum Ehrenmann, mit dem man durchaus gemeinsame Politik machen könne, man hütet sich geradezu übervorsichtig vor jeglicher „Überbewertung“ mancher grober Entgleisung schließlich war doch bloß Wahlkampf, nicht wahr?
Ob sich die SPD damit einen Gefallen tut, ist jedoch zu bezweifeln. Die „Allianz für Deutschland“ hat die Wahlen mit Versprechungen gewonnen, die so nicht zu erfüllen sind. Nun wäre ja die logische Konsequenz daraus, eine aus CDU, DSU, DA und den Liberalen bestehende Regierung in die Pflicht zu nehmen und im Parlament aus einer starken Opposition heraus Punkt für Punkt die dem Wahlvolk gemachten Offerten einzuklagen. Doch den Genossen um Herrn Meckel scheinen die Bänke im Plenum zu hart zu sein. So greifen sie nun nach der Devise „Lieber ein bißchen Macht ganz, als ganz in der Opposition“ ebenfalls zum Mittel des Wahlbetrugs. Während die CDU den 1:1/1:2-Schwindel auf ihre Kappe zu nehmen hat, wird die SPD mit ihrer Macht- und Nebelaktion nun mit dem Vorwurf leben müssen, vorsätzlich den Wählerwillen verfälscht zu haben.
Olaf Kampmann
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