: Knastalltag: Zehn Junkies pro Spritze
■ Angebot Aids-steriler Spritzen immer noch tabu
„Es gibt keine drogenfreien Gefängnisse und es wird nie welche geben.“ Das betonte Manfred Wiegandt, Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Blockland, gestern auf einer Podiumsdiskussion im Bremer Schlachthof. „J.E.S. Bremen“, die Selbsthilfeorganisation von Drogenabhängigen, ehemaligen Drogenabhängigen und Substituierten, hatte Vertreter aus Justiz und Strafvollzug, Mediziner und Psychologen eingeladen, um über die Situation Drogenabhängiger im Knast zu diskutieren. Nach Angaben von „JES“ sind rund 70 Prozent aller Inhaftierten in den Bremer Justizvollzugsanstalten drogenabhängig: Im Knast würden sehr wohl harte Drogen konsumiert. Weil die Leiter von Vollzugsanstalten die Spritzenvergabe immer noch ablehnten, würden die Bestecke mehrmals und auch von mehreren Personen benutzt, klagt JES. Klaus Engqvist, Mitglied bei JES: „Zum Teil müssen sich zehn Leute eine Nadel teilen! Durch die mehrmalige Benutzung infizieren sich viele mit dem HIV-Virus, und das ist ein Wettlauf mit dem Tod“.
Im Publikum machte sich gestern spätestens hier frustrierte Stimmung breit: Die Argumente sind schließlich altbekannt. Spritzenvergabe als sinnvolle HIV- Prophylaxe — darüber bestand Konsens zwischen „JES“, Karl- Heinz Keppler, dem Anstaltsarzt der Frauenhaftanstalt Vechta und Hartmut Krieg, dem Vertreter der Bremer Justizbehörde.
Gegen eine Spritzenvergabe sprach sich dagegen Manfred Wiegandt, Leiter der JVA Blockland, aus. Er plädierte für Betreuung, Aufklärung und Therapiemaßnahmen. Spritzenfreigabe steigere den Drogenkonsum, behauptete er. Der Vechtaer Arzt wies darauf hin, daß eine Infektion mit Hepatitis B und C genauso ernst genommen werden müßte wie HIV-Infektion und Aids. In Vechta hätten bereits über 60 Prozent der Patientinnen Hepatitis C.
Als konkrete Maßnahme zum Thema Drogenabhängige im Knast will Krieg noch im September eine Arbeitsgruppe zusammen mit dem Verein „kommunale Drogenpolitik“ und mit MitarbeiterInnen aus dem Vollzugsbereich einrichten. Vielleicht, so ließ Krieg sich bewegen, sollen auch Betroffene einbezogen werden. als
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