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Klimaschädliche KraftwerkeSchneller weg vom Dreck

Umweltministerin Hendricks will einen Kohleausstieg in 20 bis 25 Jahren erreichen. Das dürfte Streit mit ihrem Parteichef geben.

Auch sie wollen den Kohleausstieg: Aktivisten am Braunkohle-Tagebau Garzweiler Foto: dpa

Berlin taz | Fünf Tage vor dem Beginn des Klimagipfels von Paris hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) für Deutschland einen schnelleren Ausstieg aus der Braunkohle gefordert. „Es wird entscheidend sein, dass wir uns nach Paris verständigen, wie wir in Deutschland den Ausstieg aus der Kohleverstromung in 20 bis 25 Jahren hinbekommen“, sagte Hendricks am Dienstagabend. Zuvor hatte sie dafür einen Zeitraum von 25 bis 30 Jahren avisiert.

Und auch damit ging die Umweltministerin schon deutlich weiter als ihr Parteichef Sigmar Gabriel, der als Wirtschaftsminister für die Kraftwerke verantwortlich ist. Dieser hatte die Forderung nach einem Kohleausstieg im vergangenen Jahr noch als „Volksverdummung“ bezeichnet. Von einem Ausstieg mag er bis heute nicht sprechen; die Kohle werde in Deutschland noch „viele Jahrzehnte“ benötigt, hatte er wiederholt erklärt.

Eine Antwort auf die Frage, ob man den neuen Vorstoß von Hendricks unterstütze, lehnte das Wirtschaftsministerium am Mittwoch ab. Ein Sprecher verwies lediglich auf die bestehenden Pläne, wonach der Anteil der erneuerbaren Energien bei der Stromproduktion in 25 Jahren bei 65 Prozent liegen soll. „Darüber hinaus gehende Planungen gibt es nicht“, sagte er – und ging damit zumindest indirekt auf Distanz zur Umweltministerin.

Hendricks sieht sich mit ihren klimapolitischen Positionen hingegen keinesfalls isoliert. „Die Kanzlerin und ich haben keine Differenzen“, sagte sie. Sie fahre am Samstag „zuversichtlich“ zur Klimakonferenz, wo am Montag zum Auftakt die Staatschefs, unter ihnen Angela Merkel, positive Stimmung für ein Abkommen zum globalen Klimaschutz machen werden. Merkel sagte am Mittwoch im Bundestag, in Paris müsse es gelingen, völkerrechtlich verbindliche Regeln zur Überprüfung nationaler Klimaschutz-Maßnahmen zu verabreden.

Volksverdummung

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel

Zu den „guten Signalen“ aus den letzten Monaten gehörten für Hendricks die Beschlüsse der G 7 und der EU, in diesem Jahrhundert die Wirtschaft zu „dekarbonisieren“, beziehungsweise „klimaneutral“ zu gestalten. Für Deutschland heiße das: „Die Große Koalition muss einen Ausstiegspfad aus der Kohleverstromung hinbekommen, der nicht zu Strukturbrüchen in den betroffenen Regionen führt.“ Dies müsse „in 20 bis 25 Jahren möglich sein“, erklärte Hendricks.

Lob von Greenpeace

Mit ihrem Vorstoß geht die Ministerin sogar leicht über die Forderungen von Greenpeace hinaus; die Umweltorganisation geht in ihrem aktuellen Energieszenario von einem Kohleausstieg bis zum Jahr 2040 aus. Greenpeace begrüßte die Ankündigung: „Wir wünschen Frau Hendricks die Kraft, dies auch durchzusetzen“, so Energieexperte Tobias Münchmeyer.

Die Grünen reagierten skeptisch auf die Forderung der Umweltministerin. „Barbara Hendricks ist bisher vor allem eine Ankündigungsministerin“, sagte die klimapolitische Sprecherin Annalena Baerbock. „Den Worten müssen aber auch Taten folgen.“

Aus der Wirtschaft und dem Ausland ist der Druck zu einem schnellen Ende der Kohle weiter gewachsen. Großbritannien hat kurz vor der Pariser Konferenz den Kohleausstieg in zehn Jahren erklärt, mehrere Banken finanzieren keine Kohlekonzerne mehr.

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4 Kommentare

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  • Die Frage ist, wie das international koordiniert wird (USA, China, Indien), und wie die Szenarien fuer den Anstieg der Welttemperatur dadurch tangiert werden.

  • Große Töne spucken ist einfach und kost’ nüscht, aber das Abstimmungsverhalten, z.B. in NRW zur Zukunft der Braunkohle, spricht eine andere Sprache…

  • Zu: "Merkel sagte am Mittwoch im Bundestag, in Paris müsse es gelingen, völkerrechtlich verbindliche Regeln zur Überprüfung nationaler Klimaschutz-Maßnahmen zu verabreden."

    Das ist völlig unrealistisch. Nicht nur China ist dafür kaum zu begeistern, auch für die USA gilt: Obama kann und will Absichtserklärungen zum Thema Klimapolitik unterzeichnen, völkerrechtlich verbindliche Verträge, an die auch Obamas Nachfolger gebunden wären, sind nach US-Verfassung nur mit Zustimmung des Senats möglich. Angesichts der gegenwärtigen Zusammensetzung des Senats bedeutet das: Sie sind überhaupt nicht möglich. Das heißt: man wird in Paris irgendein Papier unterzeichnen, das die Europäer als bindende Verpflichtung auslegen werden. Aber ein auch die USA (und China) tatsächlich bindender Vertrag wird das nicht sein.

  • Bitte?!

    In 20-25 Jahren?

    Das heißt, sie hat zum allerersten Mal mitgekriegt, dass es Proteste gegen die Kohle gibt.

    Es wird Zeit für viel mehr Druck.