Klima-Reparationszahlungen auf der COP: Wer soll das bezahlen?

Wer etwas kaputt macht, muss dafür aufkommen – das wollen arme Staaten auch für die Klimakrise gelten lassen.

Ein Mann trägt ein Mädchen durchs Überschwemmungsgebiet

Wer haftet für den Schaden, den dieses Mädchen und ihr Opa durch den Monsun in Pakistan hatten? Foto: Fayaz Aziz/reuters

Das Wasser riss alles mit, was ihm im Weg stand. Mehr als 2 Millio­nen Häuser demolierte der ungewöhnlich starke Monsunregen in Pakistan in diesem Sommer, mehr als 1.500 Menschen verloren ihr Leben. Ein Drittel des Landes stand unter Wasser. Krankenhäuser, Schulen, Straßen – alles kaputt. Fast eine Million Nutztiere starben, die Ernten wurden vernichtet. Der Monsun ist wieder vorbei, das Elend bleibt.

Das ist die Botschaft, mit der Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif auf die Weltklimakonferenz COP 27 in Scharm al-Scheich angereist ist. „In meinem Land gehen Millionen von Menschen in den Winter ohne Unterkunft, ohne Einkommen“, sagte er am Montag auf dem Gipfel. Manche Länder, darunter Pakistan, seien dem Klimawandel stärker ausgesetzt als andere. Dabei hat das Land nur einen winzigen Bruchteil dazu beigetragen.

Sharif fordert Schadenersatz. Er verweist auf Kosten von 30 Milliarden US-Dollar. Wenn es nach ihm geht, sollten diejenigen für den gigantischen Schaden zahlen, die ihn durch hohe Treibhausgasemissionen hauptsächlich verursacht haben. Länder wie Deutschland.

Der ultimative Verlust

Wer in welcher Form für solche Schäden und Verluste aufkommt, steht in Scharm al-Scheich erstmals auf der offiziellen Tagesordnung eines Klimagipfels. Es ist ein später Verhandlungserfolg der Länder des Globalen Südens. Manche von ihnen fordern schon seit Jahrzehnten Klima-Reparationszahlungen. Zu ihnen gehören die pazifischen Inselstaaten, die Gefahr laufen, vom Meer geschluckt zu werden – der ultimative Verlust.

Jetzt steht das Thema also auf der Agenda. Und es plätschern sogar schon kleine Finanzversprechen ein: Schottland war auf dem Weltklimagipfel im vergangenen Jahr Vorreiter und stellte 2 Millionen Pfund zur Verfügung, jetzt in Scharm al-Scheich hat Regierungschefin Nicola Sturgeon auf 7 Millionen erhöht. Dänemark hat kürzlich 13,4 Millionen Euro in Aussicht gestellt.

Österreich will über die kommenden vier Jahre 50 Millionen Euro bereitstellen. Und Bundeskanzler Olaf Scholz brachte das Versprechen von 170 Millionen Euro mit – das sind knapp 0,5 Prozent des Volumens des Ahrtal-Hilfsfonds. Aufsummiert würden das Geld nicht einmal reichen, um auch nur für die pakistanische Flutkatastrophe aufzukommen. Es sind symbolische Anfänge.

Schließlich wird in Scharm al-Scheich ja auch erst einmal diskutiert, ob es solche Zahlungen überhaupt systematisch geben soll und in welcher Form sie fließen dürfen. Der Globale Süden wünscht sich eine internationale Finanzeinrichtung, die einen Schadenersatzfonds verwaltet. Die Industrieländer wollen am liebsten nur Klima-Risikoversicherungen subventionieren, die bei Extremwetter greifen – auch wenn nicht alle Klimawandelfolgen überhaupt versicherbar sind. Einen Schaden, der mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit eintritt, packt keine Versicherung an. Trotzdem haben die Industriestaaten als Anmerkung zur Tagesordnung extra festgehalten, dass die Diskussion „keinen Schadenersatz oder Kompensationen beinhaltet“.

Die Philosophin Angela Kallhoff, Professorin für Ethik an der Uni Wien, hält es für evident, dass Schadenersatz fließen muss. „Die vom Klimageschehen an Leib und Leben Geschädigten sind Klimaopfer und haben gegenüber den Klimatätern einen nicht zu leugnenden Haftungsanspruch“, erklärt sie. Die Klimaschuld eines Landes zu bemessen, sei aber nicht einfach: „Die Debatte um Klimagerechtigkeit und -ethik ist kompliziert.“ Keine Philosophin könne die Forderungen auf einen einfachen Schlüssel zurückführen.

Nur im Grundsatz ist die Lage einfach: Großbritannien, Deutschland und Co. haben durch ihre Industrialisierung die Klimakrise vorangetrieben, ihren Reichtum aufgebaut und das Modell durch die Kolonialisierung in die ganze Welt getragen. Selbst wenn man diese historische Sicht ausblendet: Noch 2020 waren die G7-Staaten für rund 20 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich, obwohl dort nur ein Zehntel der Weltbevölkerung lebt.

Die Details sind aber verworren. Geht es beispielsweise um die Folgen von Extremwetterereignissen, ist das Problem: Sie sind selten ausschließlich auf die Erderhitzung zurückzuführen. Es gab zwar schon Hitzewellen, etwa die im Westen Nordamerikas vor einem Jahr, die Kli­ma­for­sche­r:in­nen ohne Klimakrise praktisch für unmöglich hielten. In vielen Fällen aber geht es darum, dass die Klima­krise einen gewissen Anteil hat.

Das zeigt das Beispiel Pakistan. Ein Team um die Klimaforscherin Friederike Otto vom Imperial College in London hat das Unwetter untersucht. Das Ergebnis: Für die besonders betroffenen Provinzen Sindh und Belutschistan zeigten Modellrechnungen, dass die Regenmenge über einen Fünf-Tage-Zeitraum bis zu 50 Prozent höher war, als es ohne Klimawandel der Fall gewesen wäre.

„Wir können mit großer Sicherheit sagen: Die Chance, dass so etwas passiert, wäre ohne Klimawandel geringer gewesen“, sagte Otto bei der Präsentation der Ergebnisse im September. Aber hätte es ohne Klimawandel überhaupt keine Schäden gegeben? Und sollte es eine Rolle spielen, dass der Regen nur so viel Schaden anrichten konnte, weil Pakistan ein schlechtes Wassermanagement hat? Und kann man dabei wiederum außer Acht lassen, dass dieses auf die britische Kolo­nial­herrschaft zurückgeht?

Fragen über Fragen. „Gleichwohl gilt: Wenn ein Schaden für Personen durch das eigene Handeln willentlich und wissentlich in Kauf genommen wird, hat die betroffene Person das Recht, eine Kompensation zu fordern“, meint Ethikerin Kallhoff. Und dass hohe Treibhausgasemissionen in die Klimakrise führen, ist seit Jahrzehnten hinlänglich bekannt. Mit Millionenbeträgen dürfte es dabei nicht getan sein. Im Jahr 2050 werde die Summe, die der Globale Süden für seine Klimaschäden benötigt, jährlich zwischen 1,1 und 1,8 Billionen US-Dollar liegen, errechneten Wis­sen­schaft­le­r:in­nen der London School of Economics schon vor vier Jahren.

Abgesehen davon, welche Schäden man der Klimakrise zurechnet, steht auch zur Debatte: Wer muss dafür aufkommen? „In diesem Zusammenhang werden insbesondere drei Prinzipien diskutiert“, meint der Philosoph Christian Baatz, Juniorprofessor für Klimaethik an der Uni Kiel. Man könne danach gehen, wer am meisten zu einem Problem beigetragen hat, wer am meisten profitiert hat oder wer am meisten zahlen kann.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

„Wie viele andere KlimaethikerInnen bin ich der Auffassung, dass eine Kombination dieser Prinzipien am überzeugendsten ist“, sagt Baatz. „Sehr vereinfacht gesagt sollen Staaten gemäß ihren Emissionen seit circa 1990 und gemäß ihrem aktuellen Wohlstand für Verluste und Schäden aufkommen.“

Für ein Land wie Deutschland ist es fast egal, welches der drei Prinzipien man ansetzt. Die Bundesrepublik gehört in jedem Fall zu den hauptsächlich Verantwortlichen.

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