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Kleines Kreuzberg

■ „Alis Welt“ dokumentiert den Alltag eines türkischen Jungen, 22.45 Uhr, B1

Zwischen zwei Kulturen, zwischen zwei Welten, man kennt das ja: nichts als Probleme. Der Berliner Dokumentarfilmer Dirk Schäfer hat solch stereotype Wahrnehmungsmuster gemieden und einen weitgehend unprätentiösen Film über einen türkischen Durchschnittsjungen aus Kreuzberg gedreht: Nicht der Türke, sondern dein Nachbar ist das unbekannte Wesen.

Weil sich Schäfer dabei ganz auf Alis Welt und die seiner Geschwister eingelassen hat, entstand ein sensibles Porträt einer türkischen Familie in Deutschland, mit viel Raum für Zwischentöne. So streift die Kamera detailverliebt durch die Altbauwohnung, über Polstermöbel und das Teeservice, schnüffelt an Alis Parfümflaschen, um letztendlich an der kitschigen Porzellanfigurensammlung hängenzubleiben: „Mein Vater mag gern viel haben – ich habe ja auch fünf Schwestern und drei Brüder“, kommentiert Ali lakonisch aus dem Off.

Weil sich die Familie die Urlaubsreise in die Heimat diesmal nicht leisten kann, müssen Ali und seine Geschwister die Sommerferien in Berlin verbringen. Und weil der Vater ins Krankenhaus muß, sind die Kinder mehr denn je sich selbst überlassen. Nun lastet die Verantwortung auf dem 14jährigen Ali, dem ältestem Sohn. Der verspürt freilich wenig Lust, auf seine jüngeren Brüder aufzupassen, lieber klettert mit seinem besten Freund aufs Dach des Hauses, um ungestört zu sein. Der Film begleitet Ali bis in seine Tagträume oder auf nächtliche Ausflüge zum Ku'damm, für Ali eine exotische Welt.

Die Türkei ist weit weg, Deutschland aber auch – denn Ali bewegt sich fast ausschließlich im türkisch geprägten Mikrokosmos Kreuzbergs, in dem schon die wenigen Deutschen fast wie Exoten wirken und bestenfalls als Fußalltrainer oder als Nachbar „Onkel Günther“ auftauchen. Eine Welt, in der auch der türkische Generationskonflikt nicht offen ausgetragen wird. Daniel Bax

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