piwik no script img

■ QuerspalteKleine arme Meldung

Zeitunglesen bringt Spaß und bildet. Verbunden fühlt man sich mit der Welt, gerade wenn man im Café sitzt und zwischen den Texten und Gesichtern der anderen Nichtstuer hin- und herwechselt, damit sich Text und Leben in interessanten Konstellationen verbinden. Manchmal sind die Tage und Zeitungen auch superöde und man findet nichts Rechtes und starrt immer wieder auf eine total uninteressante Kurzmeldung.

„Honecker las Bild als Politbarometer des Westens“, meldete dpa in einer Überschrift. In der Meldung selber steht: „Honecker las Bild als Politbarometer des Westens“. „Na, so was“, denkt man und „Ach so: Honecker las also Bild als Politbarometer des Westens.“ Langweilige Meldung, die nicht einmal dazu taugt, die Massen zu „politisch aufputschbaren Verfechtern des Antikommunismus“ (Wörterbuch der sozialistischen Journalistik) zu machen. Arme kleine Meldung, von der niemand was wissen will.

Viel interessanter ist, was neulich ein Kollege aus dem Berliner Springer-Haus lachend berichtete. Kürzlich sei zum Beispiel ein Fotograf in der Kantine vorbeigekommen: „Der fragte, ob wir einen Dosenöffner hätten, und nächsten Tag sahen wir dann den Dosenöffner in der Zeitung: Das schreckliche Mordwerkzeug, mit dem Blabla siebenunddreißig Frauen erstach.“ Klasse! Noch besser ist, daß es bei Springer eine Hausempfehlung gebe, derzufolge die Mitarbeiter gehalten seien, allen Besuchern zu sagen, sie sollten in die „Axel Cäsar Springer-Straße“ kommen. Denn bei Springer ist man superstolz darauf, daß man es geschafft hat, einen kleinen Teil der Straße, an dem sich das Springer-Haus befindet, in „Springer-Straße“ umzubenennen. Lustig ist nun, daß sich in der „Axel-Cäsar-Springer-Straße“ lediglich ein Lieferanteneingang befindet und daß der Pförtner dort schon völlig entnervt die Besuchergruppen ständig zum Haupteingang in der Kochstraße schicken muß. Die Pressefreiheit des Westens ist „eine Theatervorstellung. Ich sage Ihnen ganz offen, das ist eine Theatervorstellung!“ (Honecker) Detlef Kuhlbrodt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen