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Klein-Eileen im Feenkostüm

■ Fiddles und Mouth Music, Feenschminke und die Wiederkehr des meistens Gleichen beim Scottish Folk Festival

...und wenn Klein-Marlieschen es gar nicht mehr aushielt in der Ödnis ihres deutsch-bürgerlichen Elternhauses, zog sie ihr Scottish-Fairy-Kleidchen an, schminkte sich auf „halbverhungerte Vollwaise“ à la Molly Malone und ging raus in die große weite Welt.

Raus in den erleuchteten Fest-saal mit dem Scottish Folk Festival drin. Denn gar viele Gleichgesinnte waren da – seit den 70ern schon und konstant bis ins Jahr 2001 (Ort unter anderem hier und jetzt: die Hamburger Musikhalle) – zu treffen, Boys in Scottish Kilts und Oldies (40 oder so) mit Rauschevollbart. Und immer noch nicht erklären konnte sich Klein-Eileen (so fühlte sie sich nämlich jetzt, eingetaucht ins Highland-Ambiente), wieso die Festivals von Jahr zu Jahr gleichförmiger wurden, qualitativ nur noch mit Mühe das Niveau des Vorjahres hielten. Nur mit Mühe begriff Klein-Marlies-Eileen auch, warum die deutschen Zuschauer Jahr für Jahr damit zufrieden waren, dass bei den Irish- und Scottish-Folk-Festivals immer dieselben Rituale abliefen.

Also: Ein einsamer Dudelsackpfeifer, möglichst auf irgendwelchen Emporen, musste auch in diesem Jahr her, und zwar Rory Campbell. Und war die Highland-Stimmung erstmal gründlich geschaffen, konnte dann auch gleich Mairi Smith von den Hebriden mit ihrer Mouth Music, gälischen, sich beschleunigenden A-capella-Songs einsteigen, jenen einförmigen Rhythmen, mit denen sich die Wäscherinnen weiland die Mühsal ihrer Arbeit ein bisschen leichter machten. Sensibel spielte auch die aus der Band Ceolbeg hervorgegangene Harfenistin Wendy Stewart, die virtuos die Clarsach, die gälische Harfe bediente – ein Instrument, mit dem sich Jahrhunderte lang die keltischen Barden begleiteten.

Und schließlich noch zwei Großbands: die Blazin' Fiddles, die Weisen der Highlands zum Mitstampfen boten – und die Old Blind Dogs mit Balladen und Seemansliedern aus der Gegend um Aberdeen, einer Region, deren Musik in der Folklore-szene bislang wenig beachtet wurde.

Und was war, wenig überraschend, auch an diesem laut-leisen Abend der schon im Vorhinein als solcher propagierte Höhepunkt des Geschehens? Na, die „Traditional Scottish Folk Session“, die alle Musiker, egal ob zueinander passend, aber Hauptsache laut, miteinander vereint und dem Publikum, leider verstärkt durch etliche Mikros, nochmal gehörig zeigte, was es schon immer instinktiv gespürt hatte: dass die Schotten samt und sonders aber so richtig zu feiern wissen...! Petra Schellen

Dienstag, 20 Uhr, Musikhalle

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